Hamilton Medical School | Luciano Cesaro, M.D.

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  • Ladies and gentlemen,
    ich darf mich erstmal vorstellen. Ich bin Luciano Cesaro, seit 1988 arbeite ich als Attending General Surgeon am Hamilton Grace Hospital und besetze nun mittlerweile seit 16 Jahren die Stelle als Chief of Surgery am Department of Surgery im Hamilton Grace Hospital, eines der an die HMS angegliederten Lehrkrankenhäuser.


    Heute geht es in dieser Lecture um die Prinzipien der Allgemeinanästhesie (syn. Narkose). Wenn wir von Allgemeinanästhesie reden, dann meinen wir damit ein Verfahren, das ganz bestimmte Eigenschaften aufweist. Bei dieser Form der Narkose geht es nämlich darum beim Patienten Bewusstsein, Schmerzempfinden, Reflexaktivität, Erinnerungsvermögen und Muskelanspannung medikamentös auszuschalten. Eben das, was gemeinhin auch unter dem Begriff "Vollnarkose" verstanden wird.


    Grundsätzlich stellt sich die Frage nach den Vorteilen, die sich uns im Blick auf einen chirurgischen Eingriff durch die Verwendung einer Narkose bieten. Die Notwendigkeit im Vorfeld eines chirurgischen Eingriffes und speziell bei größeren chirurgischen Operationen das Bewusstsein des Patienten auszuschalten, ergibt sich aus der Natur der Sache. Mit Bewusstseinsverlust ist der Verlust der bewussten und damit später erinnerbaren Wahrnehmung der Umwelt gemeint. Man bezeichnet diese Kompomente des Verlust des Bewusstseins auch als Hypnose. Da in diesem Prozess enthalten ist, dass die Funktionsfähigkeit der sensorischen Wahrnehmung unterbrochen wird, erschließt es sich auch warum der Patient sich nach der Operation auch nicht an das erinnern kann was während des Zeitraumes der Hypnose (Amnesie → zweite wichtige Komponente der Narkose), sowie auch eine gewisse Zeit danach (anterograde Amnesie) bzw. unmittelbar davor (retrograde Amnesie), geschehen ist. Die Ausschaltung des Bewusstseins im Sinne einer Hypnose, also ein Zustand des erzwungenen Schlafs, in dem der Patient nicht mehr durch äußere Reizeinflüsse weckbar ist, ist ein effektives Mittel um das an das Bewusstsein gekoppelte Schmerzempfinden zu beseitigen. Dem Stadium der Hypnose (aus der der Patient nicht mehr geweckt werden kann) ist noch eine weitere Vorstufe - nämlich das Stadium der Sedierung - vorangestellt, aus der heraus der Patient im Gegensatz zur Hypnose noch geweckt werden kann. Entsprechende Medikamente - sogenannte Sedativa - finden in der Form von Beruhigungsmittel vor allem außerhalb der Anästhesie Anwendung. Zum Beispiel zur Behandlung von Angst- oder Unruhezuständen. In solchen Fällen eignen sich Sedativa aufgrund ihrer dämpfenden Wirkung auf den Aktivitätszustand des zentralen Nervensystems um den Patienten eine Distanzierung von ihrer überschießenden emotionalen Erregung pharmakologisch zu ermöglichen.


    Es existieren verschiedene Substanzklassen, die sedierende Wirkungen haben können. Dabei kommt der sedierenden Komponente häufig eher die Rolle als unerwünschte Nebenwirkung zu. Also solche Medikamentenklassen sind neben den Benzodiazepinen auch einige Vertreter der Antidepressiva, Barbiturate, Opioide und Antihistaminika zu erwähnen. Spezifisch die Benzodiazepine und deren Vertreter Midazolam und Diazepam haben als Angstlöser (Anxiolytika) ihre Verwendung. Insbesondere Midazolam (Handelsnamen u.a. Dormicum, Versed) wird routinemäßig im unmittelbaren Vorfeld einer anstehenden chirurgischen Intervention (60-90 min vor Beginn der Operation, p.o.) gegeben um die zentrale Erregung im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Eingriff zu dämpfen und stattdessen einen Zustand der psychomotorischen Indifferenz zu fördern. Ihre Wirkung entfalten die Substanzen aus der Klasse der Benzodiazepine über eine positive allosterische Modulation der Wirkung von GABA durch Bindung an entsprechenden GABAA-Rezeptoren (ionotrop). Das bedeutet, dass die Benzodiazepine durch ihre Bindung an die entsprechende Benzodiazepin-Bindungsstelle der GABAA-Rezeptoren die Wirkung des inhibitorischen Neurotransmitters GABA (den Einstrom von Cl- und damit die Hyperpolarisation) verstärken, wodurch die neuronale Erregbarkeit der GABAerg innervierten Nervenzelle unter dem Einfluss von Benzodiazepinen gehemmt wird. Es ist allerdings klar zu erwähnen, dass die Substanzen aus der Wirkklasse der Sedativa selbst in hohen Dosen nicht zur Erzeugung einer Hypnose oder Narkose genutzt werden können. Demgegenüber stehen die sogenannten Narkotika, die dosisabhängig zur Erzeugung von Sedierung (weckbar, niedrige Dosis), Hypnose (nicht weckbar, höhere Dosis) und Narkose (nicht weckbar + Analgesie, hohe Dosis) verwendet werden können. Beispiele für (intravenöse) Hypnotika sind Propofol (Standardmedikation zur Narkoseeinleitung) und Etomidat (wird anstelle von Propofol nur bei kardiovaskulären Risikopatienten eingesetzt), die beide zunächst sedierend und in höheren Dosen hypnotisch wirken, allerdings keine analgetische Wirkung haben. Pharmakologisch wird die zentrale dämpfende Wirkung dieser sogenannten Injektionsanästhetika (zu dieser Gruppe zählen neben Propofol und Etomidat auch im weitesten Sinne Ketamin - Verwendung aufgrund seiner zusätzlichen analgetischen Wirkung als Notfallmedikament - sowie die Barbiturate Thiopental und Methohexital, die den Hirndruck senken und aufgrund ihrer stark antikonvulsiven Wirkung beim Status epilepticus als Ultima Ratio gelten) hauptsächlich auf eine Blockierung von erregend wirkenden zentralen Glutamat-Rezeptoren (Ketamin blockiert den Ionenkanal von glutamatergen NMDA-Rezeptoren) sowie eine Aktivierung von zentralnervös hemmend wirkenden Rezeptoren (Thiopental + Methohexital erhöhen allosterisch die Affinität des GABAA-Rezeptors gegenüber GABA; Etomidat + Propofol aktivieren GABAA- und Glycinrezeptoren) zurückgeführt.


    Ketamin nimmt unter den Anästhetika allerdings eine Sonderstellung ein, da es im engeren Sinne eigentlich nicht als Hypnotikum betrachtet werden kann weil durch die Gabe von Ketamin erstens keine Hypnose im Sinne einer klassischen Bewusstseinsdämpfung sondern vielmehr eine Bewusstseinsänderung (häufig assoziiert mit Halluzinationen und als negativ erlebten Träumen) hervorgerufen wird. Und zweitens weil Ketamin im Bezug auf die vegetativen Funktionen eher erregend, sprich sympathomimetisch wirkt. Diesem Effekt ist es auch geschuldet, dass als Nebenwirkung bei der Applikation von Ketamin eine Kreislaufinstabilität auftreten kann.

    Luciano Cesaro, M.D.

    Associate Professor of Medicine, Department of Surgery, University of Hamilton School of Medicine

    Chief of Surgery, Department of Surgery, Hamilton Grace Hospital

    7 Mal editiert, zuletzt von Luciano Cesaro ()

  • Nun, manchmal gibt es Zufälle...

    Roger Castro

    Former White House Communications Director President Clark I |Former Senior Advisor to President Clark II Former Chairman Lighthouse Foundation

    Founder and CEO of Coffeehouse Samaritans

  • Der Herr Doktor sieht aber Dr. Stürmer zum Verwechseln ähnlich...

    ?(


    Nur weil das Thema in dieser Lecture Narkotika sind, bedeutet das nicht dass Sie hier unter deren Einfluss erscheinen sollen.


    Ich darf im Übrigen darauf hinweisen, dass sich insbesondere im Hinblick auf das Ketamin neben der notfallmedizinischen Verwendung als Anästhetikum auch eine nichtmedizinische Verwendung durchgesetzt hat. In der Technoszene erfreut sich Ketamin seit den 1990ern zunehmend im Zusammenhang mit Rave Veranstaltungen, unter der Bezeichnung Vitamin K, Special K oder Kate, als Party Droge einer wachsenden Beliebtheit. Vermutlich wegen der dissoziativen Eigenschaften, die ja auch für die analgetische Komponente dieses Anästhetikums verantwortlich sind. So werden von den Konsumenten die ketamininduzierten psychedelische Erfahrungen etwa als veränderter Bewusstseinszustand beschrieben, in dem subjektiv das Gefühl empfunden wird, dass für einen begrenzten Zeitraum der Geist vom Körper losgelöst existiere. Weiterhin ist die Rede von Gefühlen der Euphorie, Verlust der Bindung an Raum und Zeit, Depersonalisation, Desorientierung, akkustische Halluzinationen sowie der Verlust von Erinnerungen. Dieser Zustand, den man in der Szene auch als K-Hole (also Ketamin-Loch) bezeichnet, entspricht einer solchen dissoziativen Anästhesie (entspricht einem Bewusstseinsverlust mit gleichzeitigem Verlust des Schmerzempfindens unter Aufrecherhaltung der Schutzreflexe und der Atemregulation), und weist darüber hinaus Merkmale auf, die auch im Zusammenhang mit katatonen Schizophrenien, Nahtoderfahrungen bzw. außerkörperlichen Erfahrungen, berichtet werden.


    Letztlich wird aus dieser Schilderung auch die Wirkung der Substanz deutlich, die man sich auch in der Notfallmedizin zu Nutze macht. Die Trennung von Bewusstsein und körperlicher Sinnesempfindung, die in den Rave Clubs dazu führt, dass die Konsumenten das Gefühl bekommen ihren Körper zu verlassen, führt bei Schwerverletzten offensichtlich dazu, dass ihre Schmerzempfindung therapeutisch aufgehoben wird. Gleichzeitig hat Ketamin ganz im Gegensatz zu den restlichen intravenösen Anästhetika keine blutdrucksenkende, sondern vielmehr - aufgrund einer konsekutiven Katecholaminfreisetzung - eine blutdrucksteigernde Wirkung, welche bei hypotonen, hypovolämen (im Kreislauf zirkulierendes Blutvolumen und damit der Blutdruck fällt aufgrund von Blutverlusten infolge der Verletzung ab) Patienten, die auf einen Kreislaufschock zusteuern, ein lebensrettender Vorteil sein kann. Dabei ist jedoch ebenfalls zu beachten, dass der ketamininduzierte Blutdruckanstieg mit einem gesteigerten Sauerstoffverbrauch der Herzmuskulatur einhergeht. Daher ist die Anwendung des Medikaments besonders bei Patienten mit Koronarer Herzkrankheit, Myokardinfarkt sowie arteriellem Hypertonus nur in notfallmedizinischen Ausnahmesituationen in Erwägung zu ziehen.


    Aufgrund der Nebenwirkungen ist in der therapeutischen Anwendung die kombinierte Gabe mit dem angstlösenden und amnestisch wirkenden Benzodiazepin Midazolam oder Propofol üblich, um die Patienten besonders bei höheren Dosen vor traumatischen psychiatrischen Folgen der psychedelischen Halluzinationen zu bewahren. Ein letztes relevantes Charakteristikum ist, dass Ketamin auch die Atemwege erweitert, sodass es als Narkotikum bei Asthmapatienten als empfehlenswert gilt.


    Nun geht es in der Anästhesie immer auch darum - neben den Wirkungen und Nebenwirkungen der Medikamente - wie schnell die verwendeten Anästhetika wirken und vor allem wie lange ihre Wirkung anhält. Klar dürfte sein, dass es keinesfalls zugelassen werden darf, dass ein Patient sein Bewusstsein wieder erlangt, solange die Operation noch nicht vollständig beendet ist. In diesem Sinne ist es notwendig die Narkose gut steuern zu können. Um dieses Kriterium zu erfüllen, müssen die verwendeten Anästhetika gewisse pharmakologische Bedingungen erfüllen.


    So ist es am Beispiel der intravenösen Anästhetika die Lipophilie (also die Fettlöslichkeit), die maßgeblich dafür ist wie schnell ein Anästhetikum seine Wirkung entfaltet. So ist beispielsweise Propophol so extrem lipophil, dass es im Blut nahezu vollständig unlösbar ist und daher nur gebunden an Plasmaproteine transportiert werden kann. Diese Eigenschaften führen dazu, dass Propofol rasch anflutet und damit seine Wirksamkeit entfaltet. Außerdem wird Propofol von der Leber sehr schnell abgebaut (metabolisiert), sodass die Substanz kaum im Gewebe kumuliert. Das bedeutet konkret: schneller Wirkungsbeginn und rascher, gut definierbarer Abbau. Insofern ist Propofol sehr gut steuerbar und ist daher auch das Standardmedikament bei der Einleitung der Narkose. Worauf bei einer Verwendung jedoch zu achten ist, ist dass bei der Injektion der Substanz der Patient ggf. Schmerzen an der Injektionsstelle empfindet. Daher gilt die Empfehlung im Vorfeld der Injektion mit Propofol an der entsprechenden Stelle Lidocain oder ein Opioid zu verabreichen, um die mit einer prophylaktischen Analgesie diesem häufig beobachteten Injektionsschmerz, der im Zusammenhang mit einer Narkoseeinleitung durch Propofol, auftritt, vorzubeugen.

    Luciano Cesaro, M.D.

    Associate Professor of Medicine, Department of Surgery, University of Hamilton School of Medicine

    Chief of Surgery, Department of Surgery, Hamilton Grace Hospital

  • Wir haben doch bestimmt eine Regel wie wir mit Doppel-Avas umgehen..

    Roger Castro

    Former White House Communications Director President Clark I |Former Senior Advisor to President Clark II Former Chairman Lighthouse Foundation

    Founder and CEO of Coffeehouse Samaritans

  • Wir haben doch bestimmt eine Regel wie wir mit Doppel-Avas umgehen..

    SimOff

    Zum Beispiel könntest du einfach denjenigen als Avatar verwenden, den du in deinem Profil als dein Avatar angibst. Rick Scott.

    Luciano Cesaro, M.D.

    Associate Professor of Medicine, Department of Surgery, University of Hamilton School of Medicine

    Chief of Surgery, Department of Surgery, Hamilton Grace Hospital

  • SimOff

    Das würde ich gerne von der Spielleitung hören! Ich denke einfach, wer zu erst malt, malt zu erst!

    Roger Castro

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    Founder and CEO of Coffeehouse Samaritans

  • SimOff

    Ich brauch dafür keine Spielleitung. Ist das ganz sicher dieselbe Person? Wer ist denn dein Avatar, und kannst du das auch nachweisen, dass es Stanley Tucci ist? Für alles weitere würde ich dich bitten mir ne PN zu schreiben anstatt den Thread hier mit OffSim vollzuspammen.

    Luciano Cesaro, M.D.

    Associate Professor of Medicine, Department of Surgery, University of Hamilton School of Medicine

    Chief of Surgery, Department of Surgery, Hamilton Grace Hospital

  • SimOff

    Es ist Stanley Tucci.

    Roger Castro

    Former White House Communications Director President Clark I |Former Senior Advisor to President Clark II Former Chairman Lighthouse Foundation

    Founder and CEO of Coffeehouse Samaritans

  • SimOff

    Dann würde ich vorschlagen dass du das in deinem Profil unter dem Punkt "Avatar" auch so hinschreibst, damit du in Zukunft vor solchen Situationen, die in dir das innere Kindergartenkind zum Vorschein bringen, sicher bist.


    Und jetzt verschwinden Sie hier! Das ist eine Universität, und keine Bühne für Ihre Selbstdarstellung.

    Luciano Cesaro, M.D.

    Associate Professor of Medicine, Department of Surgery, University of Hamilton School of Medicine

    Chief of Surgery, Department of Surgery, Hamilton Grace Hospital

  • Handlung

    Danke, ich werde das gerne berücksichtigen

    Roger Castro

    Former White House Communications Director President Clark I |Former Senior Advisor to President Clark II Former Chairman Lighthouse Foundation

    Founder and CEO of Coffeehouse Samaritans

  • Intravenöse Anästhetika, allen voran das schnell anflutende sowie nicht kumulierende und daher gut steuerbare Propofol, Barbiturate (Thiopental, Methohexital), sowie das vor allem für die Notfallmedizin bedeutsame Ketamin sind für die allgemeine Anästhesie also unverzichtbar. Propofol sowie - bei kardiovaskulären Risikopatienten - Etomidat sind der gegenwärtige Goldstandard bei der Narkoseeinleitung. Barbiturate auf der anderen Seite bieten also die Möglichkeit bei speziellen Indikationen oder bei Bedarf unterstützend zur Standardanästhesie einen Nutzen für den Patienten zu generieren.


    Wir haben des Weiteren auch herausgearbeitet, welche pharmakologischen/chemischen Eigenschaften und welche physiologischen Mechanismen der Wirkung von Anästhetika zugrunde liegen. Neben diesen bislang dargestellten Medikamentengruppen sind nun noch drei weitere essenziell für die moderne Anästhesie. Diese wären zum einen die Opioide, die den Löwenanteil an der analgetischen Komponente bereitstellen. Die Muskelrelaxantien, die mit einer Ausschaltung der muskulären Tätigkeiten zum Einen ein ruhiges Arbeitsumfeld für den Chirurgen schaffen und zum Anderen auch über die Erschlaffung der Muskulatur die Intubation des Patienten und damit seine intraoperative Beatmung ermöglichen. Das dritte Spektrum wichtiger Anästhetika schließen die sogenannten volatilen Narkotika ab, die auch unter der Bezeichnung Inhalationsanästhetika geführt werden.


    Mit dieser zuletzt genannten Gruppe möchte ich jetzt auch weitermachen. In diese Gruppe gehören solche Substanzen wie Desfluran, Sevofluran und Isofluran (gehören in die Gruppe der Flurane) oder auch das Stickoxydul, letzteres auch unter der Bezeichnung "Lachgas" bekannt, welches aufgrund seiner begrenzten Effizienz im Hinblick auf seine hynpnotischen Wirkung und sein Nebenwirkungsprofil allerdings in der jüngeren Vergangenheit durch die Flurane verdrängt wurde. Hierbei handelt es sich der Bezeichnung entsprechend um gasförmige Darreichungsformen, deren Verabreichung über eine Maske (Atemmaske oder Larynxmaske) bzw. einen Endotrachealtubus bzw. mit diesen verbundenen Verdampfersystemen (sogenannte Vaporen) erfolgt. Diese Narkosesysteme helfen dem Anästhesisten dabei eine kontinuierliche und optimal auf die Erfordernisse des Patienten abgestimmte Narkose umzusetzen und damit sowohl einen optimalen Gasaustausch während des Eingriffes als auch eine ausgewogene Narkose zu gewährleisten.


    Wenn wir über Inhalationsanästhetika sprechen, dann ist es für die Beurteilung ihres Nutzens gegenüber den alternativ verfügbaren Möglichkeiten, mit denen eine Anästhesie durchgeführt werden kann, zu allererst mal klarzustellen dass prinzipiell jede Narkose auch ganz ohne Inhalationsnarkotika auskommen würde. Zwar stellt ihre Verwendung für die meisten Indikationen die gängige Praxis dar. Diese Tatsache sollte allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die TIVA, also die totale intravenöse Anästhesie (bei der auf die Verwendung von Inhalationsanästhetika verzichtet wird) im Großen und Ganzen eine, der balancierten Anästhesie (damit meint man die Methode, bei der sowohl intravenöse als auch volatile also Inhalationsanästhetika angewendet werden) gleichwertige Methode darstellt. Die Abwägung welches Verfahren man bevorzugt, orientiert sich also an den individuellen Erfordernissen des jeweiligen Patienten.


    Gleichzeitig ist aber zu beachten, dass andersherum eine Anästhesie auf der ausschließlichen Anwendung von Inhalationsanästhetika, ganz ohne intravenöse Anästhetika grundsätzlich keine überlegene Option mehr darstellt. Zwar können Inhalationsanästhetika durchaus zur Erhaltung der Narkose (die zuvor mit i.v. Anästhetika eingeleitet wurde) genutzt werden. Für die Einleitung allerdings haben sich die Inhalationsanästhetika alleine aufgrund ihrer Eigenschaften gegenüber den Intravenösen Anästhetika als eher unterlegen erwiesen. Die in diesem Zusammenhang entscheidenden Nebenwirkungen der Inhalationsnarkotika sind - bei alleiniger Verwendung zur Narkoseeinleitung - Irritationen der Atemwege, die Tendenz postoperative Übelkeit und Erbrechen zu verursachen, postoperatives Zittern (sogenanntes Shivering) und die Neigung im Rahmen der Narkoseeinleitung Kreislaufprobleme, Muskelspasmen und Hyperreflexie (vgl. Narkosestadien nach Guedel) zu erzeugen.


    Dass dies allerdings in der Geschichte der Anästhesie eine Erkenntnis ist, die sich erst im Verlauf ihrer Entwicklung und Datenerhebung - auch anhand von tragischen Todesfällen - gewinnen ließ, kann man daran erkennen dass die sogenannte Klassifikation nach Guedel (Astorischer Anästhesist, der von 1883 bis 1956 lebte) die er 1937 veröffentlichte und die sehr schnell breite Akzeptanz und Beachtung in der Anästhesiologischen Fachwelt fand, nichts anderes ist als eine Beschreibung nacheinander folgender Narkosestadien, wie sie im Rahmen der ausschließlich durch Inhalationsanästheika herbeigeführten Narkoseeinleitung auftreten. Zwar wird aufgrund der heutzutage angewandten anästhesiologischen Standards, die wie bereits erwähnt, von einer Narkoseeinleitung, die ausschließlich mit Inhalationsanästhetika arbeitet, abgekehrt ist, diese Klassifikation nach Guedel im Grunde als obsolet betrachtet (da sie ihre Gültigkeit eben nur für Narkosen besitzt, bei denen keine i.v. Anästhetika verwendet werden). Allerdings zeigt es eben auch, welche Schwierigkeiten die Anästhesie bei all ihren neu erschaffenen Verbesserungen der medizinischen Versorgung auch damals schon mit sich brachte.


    Zur Zeit Guedels war es nämlich - anders als heute - noch nicht üblich für eine Narkoseeinleitung intravenöse Anästhetika zu verwenden. Außerdem wurde damals auch noch kein Gebrauch von Muskelrelaxanzien (auf diese Gruppe werde ich auch noch zu sprechen kommen) zur Anästhesie verwendet, sodass der Anästhesist einerseits die zu dieser Zeit zur Verfügung stehenden - im Vergleich zu den heute gängigen Substanzen erheblich schlechter steuerbaren - Narkotika nur schwer dosieren konnte um den Patienten nicht zu flach aber auch nicht zu tief zu narkotiseren. Und Andererseits erschwerte der durch die Narkotisierung zunächst einmal erhöhte Muskeltonus sowie nicht unterdrückte Reflexbewegungen (die ja ebenso wie der Muskeltonus durch Muskelrelaxanzien ausgeschaltet werden) die Arbeit der operierenden Ärzte erheblich. Diese Nachteile trugen (neben den kardiodepressiven Effekten) auch dazu bei, dass die allgemeine Anästhesie, die damals hauptsächlich den inzwischen längst aus der Verwendung verdrängten Stoff Diethylether nutzte, immerhin mit einem Risiko von 1:20.000 für tödliche Komplikationen behaftet war. Ganz davon abgesehen handelte es sich beim Diethylether auch um ein entflammbares Gas, was in der interventionellen Anwendung ebenfalls eine nachteilige Eigenschaft darstellt.


    Besonders schwierig war jedoch wie bereits von mir angedeutet für die Anästhesisten des frühen 20. Jahrhunderts, ihre Patienten in den optimalen Zustand der Narkose zu versetzen. War die Dosis zu gering gewählt, so war eine zu flache Narkose das Resultat. Und damit einhergehend Blutdruckanstiege, Herzrasen, Schweißausbrüche, Tränenfluss und Abwehrbewegungen (sofern der Patient nicht relaxiert war). Bekam der Patient eine zu hohe Dosis, so wurde die Narkose zu tief und es kam zu Blutdruckabfall, verlangsamtem Herzschlag bis hin zum Stillstand, Kreislaufzusammenbruch, Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff und Atemstillstand. Aus diesen Gründen erarbeitete Guedel eine Klassifikation der Narkose-Stadien, die den Anästhesisten dabei helfen sollte anhand der physiologischen Reaktionen ihres Patienten einordnen zu können in welchem Stadium sich die Narkose gerade befindet und in welcher Dosierung die weitere Zufuhr erforderlich ist. In diesem Sinne teilte er die Narkose in 4 Schritte ein, die sich jeweils nach spezifischen Kriterien voneinander unterscheiden lassen.




    B.P. steht hier für Blood pressure, also Blutdruck. Darüber hinaus erkennt man auf der Abbildung, dass auch die Pupillenweite, die Atemfrequenz und -Mechanik sowie die Herzfrequenz im Verlauf der Narkotisierung durch Inhalationsanästhetika charakteristische Veränderungen vollziehen. Typisch für die damals gebräuchlichen Inhalationsnarkotika war eben wie man auch in diesem Schema erkennen kann, dass zwischen Narkoseeinleitung und dem erwünschten operativen Zustand (Stadium III) das sogenannte Exzitationsstadium steht, bei dem zwischenzeitlich der Blutdruck erhöht und darüber hinaus der Puls unregelmäßig geworden ist. Und eben genau dieses Exzitationsstadium lässt sich dann vermeiden, wenn man intravenöse Narkotika anstatt oder in Kombination mit Inhalationsanästhetika zur Einleitung verwendet.


    Nun gibt es aber auch unter den Inhalationsnarkotika ja verschiedene Substanzen, die anhand ihrer pharmakologischen Eigenschaften an die individuellen Bedürfnisse des Patienten angepasst werden müssen. Desfluran beispielsweise ist ein Anästhetikum, das seine gewünschte Wirkung unmittelbar entfaltet, da es den geringsten Blut/Gas-Verteilungskoeffizienten aufweist. Je niedriger dieser Koeffizient ist, umso schlechter ist eine Substanz im Blut löslich und umso schneller tritt ihre Wirkung auch ein. Mit einem Blut/Gas-Verteilungskoeffizienten von 0,46 und der von allen gängigen Inhalationsnarkotika geringsten Metabolisierung in der Leber handelt es sich dabei um ein Narkotikum, das einige wünschenswerte Eigenschaften aufweist. Das was die Anwendung als alleiniges Anästhetikum jedoch verhindert ist die Tatsache, dass Desfluran Irritationen der Atemwege auslöst. Und bei den Mengen, die für eine Narkoseeinleitung auf der ausschließlichen Grundlage von Desfluran notwendig wären, ist die Ausprägung der resultierenden Nebenwirkung nicht zu tolerieren. Die Gegebenheit, dass diese Substanz allerdings eine schlechte Wasserlöslichkeit und Kumulationstendenz aufweist, erklärt auch das schnelle An- und Abfluten und damit die hervorragende Steuerbarkeit des Medikaments.


    Ein anderes Medikament aus der Gruppe der Flurane wäre das Sevofluran mit einem schon weniger beeindruckenden Blut/Gas-Verteilungskoeffizienten von 0,64. Sevofluran unterscheidet von von Desfluran insbesondere im Geruch. Während Desfluran in jedem Fall eine unangenehme olfaktorische Komponente aufweist und insofern gerade von jüngeren Patienten sehr stark abgelehnt wird, wird insbesondere für die Indikation von Pädiatrischen Patienten die Maskeneinleitung mit dem süßlich riechenden Sevofluran in Erwägung gezogen. Im Gegensatz zum Desfluran führt die Verwendung von Sevofluran auch nicht zu Atemwegsirritationen.


    Die allgemeinen Nachteile der Inhalationsanästhetika bleiben allerdings dennoch zu berücksichtigen. Dazu gehören neben dem Shivering, und dem Exzitationsstadium vor allem auch die postoperative Übelkeit bzw. postoperatives aber unter Umständen auch intraoperatives (also während der Operation stattfindendes) Erbrechen. Insbesondere das letztere ist mit der Gefahr einer Aspiration (also einatmen von Erbrochenem mit Verlegung der Atemwege oder als Auslöser für eine Lungenentzündung, auch als sogenannte Aspirations-Pneumonie bezeichnet) vergesellschaftet, und sollte vor allem dann berücksichtigt werden wenn beispielsweise im Rahmen einer Notfallanästhesie bzw. RSI (=Rapid Sequence Induction) nicht von einem nüchternen Patienten ausgegangen werden kann. In solchen Fällen ist die Narkose immer mit intravenösen Anästhetika einzuleiten um das Aspirationsrisiko zu minimieren.

    Luciano Cesaro, M.D.

    Associate Professor of Medicine, Department of Surgery, University of Hamilton School of Medicine

    Chief of Surgery, Department of Surgery, Hamilton Grace Hospital

  • Ich möchte nun den Fokus unserer Aufmerksamkeit etwas von den anästhesiologischen Voraussetzungen, die wir ja nun zumindest in ihren Grundlagen diskutiert haben, in Richtung der chirurgischen Aspekte bewegen. Es ist grundsätzlich zu verstehen, dass Anästhesie und Chirurgie als ganz eng miteinander verknüpfte Disziplinen gewissermaßen eine symbiontische Beziehung eingehen, die eine kontinuierliche Kommunikation erforderlich macht.


    Es ging in den vergangenen Lectures vordergründig um die Eckpfeiler der Allgemeinanästhesie. Wir hatten die wesentlichen Komponenten, die im Rahmen einer "Vollnarkose" beeinflusst werden müssen um für Patienten sowie Operateur optimale Bedingungen ermöglichen zu können. Jetzt möchte ich mit Ihnen über einige der gängigsten Indikationen, also sprich die chirurgischen Interventionen selbst, für die diese Bedingungen anästhesiologisch herbeigeführt werden, sprechen.


    Ich glaube ich hatte es in unserer ersten Lecture Session bereits erwähnt, dass die Allgemeinnarkose in ihrer vollen Ausprägung in der Regel insbesondere bei größeren chirurgischen Eingriffen zur Anwendung kommt. In diese Kategorie fallen beispielsweise jene Interventionen, bei denen Gelenkprothesen chirurgisch eingesetzt werden. Da chirurgische Gelenkersatzverfahren ein breites Themengebiet in der Unfallchirurgie bzw. Orthopädie darstellen und diese beiden Bereiche in den kommenden Sessions noch hinreichend erörtert werden, will ich über dieses Thema gar nicht allzu viele Worte verlieren. Vielmehr würde ich unsere Aufmerksamkeit hingegen auf eine andere ganz typische Indikation, in deren Zusammenhang die Allgemeinanästhesie regelmäßig zur Anwendung kommt, richten. Und zwar handelt es sich dabei um die Eingriffe aus dem Feld der laparoskopischen Chirurgie. Dabei handelt es sich um ein minimal-invasives Verfahren. Das bedeutet, dass auf großflächige Hautschnitte verzichtet und der Zugang zu den betreffenden Körperhöhlen, die die chirurgisch relevanten Strukturen beinhalten, mittels Instrumenten (sogenannte Trokare), die über kleine Hautschnitte dem Körperinneren zugeführt werden, erfolgt.


    Ziemlich genau seit Beginn der 90er des letzten Jahhunderts fand die laparoskopische Chirurgie breitere Anwendung in der Abdominalchirurgie. Bis dahin hatte man sich dieser Methode in erster Linie in der operativen Therapie gynäkologischer Erkrankungen bedient. Ursächlich für diese Entwicklung war insbesondere die Entwicklung von vielfältig verwendbaren Clips, mit denen es den Chirurgen ermöglicht wurde, Hohlorgane wie beispielsweise Gefäße abzuklemmen um dadurch ihre Kontinuität zu unterbrechen und unberechenbare Einblutungen in das Operationsfeld zu vermeiden.


    Neben der Möglichkeit laparoskopische Eingriffe auch als diagnostische Methode zu nutzen, setzte sich die minimal-invasive Intervention auch als therapeutisches Mittel in der Abdominalchirurgie durch und stellt heute ein Standardverfahren bei viszeralchirurgischen Operationen wie beispielsweise Cholezystektomien, Appendektomien, Darmresektionen und urologischen Interventionen wie zum Beispiel Nephrektomien oder Nierenbeckenplastiken, dar.


    Seitdem haben sich die technologischen Standards, mit denen die minimal-invasive Abdominalchirurgie arbeitet, rasant weiterentwickelt. Speziell hier in Hamilton ist die MediTec Branche ja bekanntlich ein elementarer Bestandteil der lokalen Wirtschaft. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts brachten verschiedene Vertreter dieser Branche immer wieder technisch ausgefeilte Systeme hervor, die das Ziel verfolgten die technischen Möglichkeiten, die durch die breitflächige Einführung von laparoskopischen Geräten in die chirurgische Praxis eröffnet worden waren, zu erweitern.


    Dementsprechend finden wir mittlerweile verschiedene Produkte auf dem Markt, die dem Chirurgen eine Anwendung im Sinne einer Robot- bzw. computer-assisted surgery ermöglichen. Ein Beispiel für ein solches robotically assisted surgery system können Sie auf dem folgenden Foto erkennen.




    Auf dieser Abbildung sind die mechanischen Arme, über deren Steuerung der Chirurg seine Operationen ausführt, deutlich zu erkennen. Allerdings ist auch in diesem Fall der Zugangsweg zu den Körperhöhlen nach wie vor über entsprechende Trokare gegeben, die über wenige Zentimeter lange Hautinzisionen einen Zugang zum Ort des interventionellen Geschehens erhalten.


    In einer weiteren Abbildung soll Ihnen eine Vorstellung darüber vermittelt werden, wie sich die Situation im Operationssaal darstellt.



    Wie Sie darauf nämlich erkennen können, befindet sich die Steuerkonsole, die dem Chirurgen über ein dreidimensionales Visualisierungssystem ein räumliches Bild über die intraabdominellen Gegebenheiten verschafft, nicht in unmittelbarer Nähe des Patienten sondern wird aus einer Entfernung von ca. 5 Metern bedient. Dabei werden die Greifarme des Systems, die im Körperinneren des Patienten agieren durch den Chirurgen mittels Joysticks gesteuert.

    Luciano Cesaro, M.D.

    Associate Professor of Medicine, Department of Surgery, University of Hamilton School of Medicine

    Chief of Surgery, Department of Surgery, Hamilton Grace Hospital

    Einmal editiert, zuletzt von Luciano Cesaro ()

  • Jetzt aber zu der echten Chirurgie. Genauer gesagt zur minimal-invasiven Laparoskopie.


    Nun sind auf dieser Abbildung ja der Übersichtlichkeit wegen die meisten Anteile des Darmes ausgeblendet. In situ können Sie sich jedoch entsprechend vorstellen, dass dort unter der Bauchdecke anstatt einer geräumigen Höhle vielmehr direkt das Peritoneum, welches die Eingeweide überzieht, liegt. Um einen Arbeitsraum zwischen Bauchdecke und Viszera zu schaffen, in dem es möglich ist chirurgisch zu arbeiten, wird die Bauchhöhle mit CO2 aufgefüllt wodurch sich der Druck in der Abdominalhülle natürlich erhöht, und ein sogenanntes Pneumoperitoneum erzeugt wird. Mit Pneumoperitoneum ist nichts anderes gemeint, als die mit "Gas" angefüllte angefüllte Abdominalhöhle. Es gibt nun aus chirurgischer Sicht ja auch ganz ausgewählte Instrumente, die je nach Verwendung entsprechend ihrer Maße ausgewählt werden. Der Zugangsweg zur Bauchhöhle von außen erfolgt durch Haut, Binde- und Muskelgewebe hindurch in die Bauchhöhle. Dafür werden Trokare der Größen zwischen 3 und 20 mm verwendet, die über einen Hautschnitt ihren Eingang finden.


    Was müssen wir uns unter dem Begriff Trokar nun eigentlich vorstellen. Dazu habe ich Ihnen ein weiteres Bild mitgebracht.




    Darauf ist ein Beispielexemplar für einen Trokar abgebildet. Dieser setzt sich zusammen aus zwei Elementen. Zum einen die Trokarhülse, durch die das chirurgische Werkzeug, mit dem man im Körper arbeiten möchte bzw. ein Obturator/zentraler Dorn (welches das zweite wichtige Element darstellt) hindurch geschoben wird. Im folgenden Video wird der exakte Ablauf einer laparoskopischen Cholezystektomie, die den am häufigsten laparoskopisch durchgeführten operativen Eingriff darstellt, präsentiert.


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    Nachdem der Patient präpariert und sediert ist, wird zunächst ein Hautschnitt in der Größe des Trokars am Bauchnabel gemacht. Hautschnitt bedeutet, dass Haut sowie anhängendes, darunter liegendes Fett- und Bindegewebe durchtrennt wird, wohingegen die Bauchwand (also die tiefer liegenden Muskeln) zunächst nicht eröffnet wird. Dann führt man in dem Bereich des Hautschnittes eine Insufflation- oder Veres-Kanüle ein, durchstößt mit dieser die Bauchdecke hindurch bis in die Abdominalhöhle und lässt daraufhin das CO2 hindurch strömen. Dadurch heben sich die Bauchwände an und der Raum im Abdomen wird dadurch vergrößert, was der Übersichtlichkeit während des weiteren Eingriffes zuträglich ist.


    Beim Insufflieren des Gases in die Bauchhöhle, zur der Erzeugung des sogenannten Pneumo- oder Kapnoperitoneums, erhöht sich durch das Zuführen des Gases, welches wegen des Ventilmechanismus der verwendeten Instrumente auch nicht wieder entweichen kann, auch der intraabdominelle Druck. Bei erwachsenen Patienten ist eine insufflierte Gasmenge von etwa 3-5 Litern CO2 üblich. Diese führt dann zu einer Erhöhung des intraabdominellen Druckes um bis zu 15 mmHg. Als Gas durchgesetzt hat sich bei dieser Anwendung Kohlenstoffdioxid. Der Entscheidung Kohlendioxid als bevorzugtes Gas für die Herstellung eines Pneumoperitoneums zu verwenden liegt eine Bewertung gemäß praktischer Anforderungen an das Gas zugrunde, die bei der Anwendung im Sinne des Pneumoperitoneums zwecks laparoskopischer Interventionen gestellt werden. Konkret handelt es sich bei diesen um solche Eigenschaften wie eine hohe Löslichkeit, fehlende Entflammbarkeit, möglichst geringe transperitoneale Absorption, Ausbleiben physiologischer Reaktionen, keine Emboliegefahr bei einer versehentlichen intravaskulären Insufflation sowie eine schnelle Elimination aus dem Organismus.


    In einer Studie der Unit of Advanced Laparascopic Surgery des sebulonischen Rabin Medical Centers in Salem aus dem Jahr 2000, deren Ergebnisse bei der Entwicklung der aktuellen Leitlinien einflossen, verglich man die, zur Herstellung eines Pneumoperitoneums zwecks Laparoskopischer Intervention, in der Medizin verwendeten Gase Kohlendioxid, Distickstoffmonoxid (=Lachgas bzw. N2O), Helium, Raumluft, elementarer Stickstoff (N2) und Argon nach den Kriterien: Beeinflussung des Säure/Base-Haushalts, Assoziation mit dem Auftreten sekundärer Erkrankungen mit Beteiligung von Hämodynamik bzw. des Respirationstraktes, Auftreten pathologischer Veränderungen des hepatischen bzw. renalen Blutflusses, Erhöhung des intrakraniellen Druckes, Outcome in Bezug auf die Entstehung venöser Emboli sowie Einfluss auf das Wachstum von Port-site Tumoren (=pathologisch entartetes Gewebe, welches sich entlang der Zugangswege für die laparoskopischen Instrumente ansiedelt).


    Die Autoren kamen in ihrer, als systematische Übersichtsarbeit (review paper) angelegten Studie zum Ergebnis dass Kohlenstoffdioxid sich (vor allem gegenüber den schlecht löslichen Gasen Helium und Argon) besonders durch seine rasche Lösung im Blut sowie die physiologische Gegebenheit, dass im Blut gelöstes Kohlendioxid über den pulmonalen Gasaustausch gut abgeatmet und dadurch aus dem Organismus eliminiert werden kann, auszeichnet. Mit diesem Umstand wird auch das statistisch seltenere Auftreten von Gas-Embolien bei der Verwendung von Kohlenstoffdioxid bei der Insufflation eines Pneumoperitoneums erklärt. Von den diskutierten Gasen ist Kohlendioxid dasjenige mit der besten Löslichkeit im Blut.


    Auf die genauere Physiologie der unerwünschten Wirkungen und die Entwicklungen in der Forschung hinsichtlich der Frage ob Kohlendioxid als Gas der Wahl für die Insufflation beim Pneumoperitoneum tatsächlich seine Berechtigung hat oder ob es vielleicht doch bessere Alternativen gibt, werde ich noch eingehen. Nun aber erst einmal wieder zurück zum Ablauf des Verfahrens.


    Nachdem das Pneumoperitoneum hergestellt wurde, wird die Insufflationskanüle entfernt und es wird der erste Trokar eingeführt. Da zuvor noch kein Zugang existierte, und der Chirurg daher auch noch keine Möglichkeit hat über einen optischen Zugang (also Laparoskop bzw. Videocam) das Abdomen von Innen einzusehen, müssen Veres-Kanüle und die Insertion des ersten Trokars blind also ohne Sicht auf das Operationsfeld durchgeführt werden. Diese sollen allerdings die unterhalb der Bauchdecke liegenden Strukturen nicht verletzen, wofür die fehlende Einsicht in das Innere des Patienten allerdings einen Risikofaktor darstellt. Verletzungen der abdominellen Organe zählen in diesem Sinne zu den Komplikationen, die sich während einer Laparoskopie entwickeln können.


    Es ergibt sich aus diesem Aspekt außerdem eine (relative) Kontraindikation für die Durchführung einer Laparoskopie bei Patienten, die sich in der Vergangenheit bereits multiplen abdominellen chirurgischen Eingriffen unterzogen haben, da diese dazu führen können dass Verwachsungen von Bauchorganen mit der Bauchdecke entstehen und somit der physiologische Raum zwischen Bauchdecke und Viscera gar nicht mehr existiert.


    Die Erhöhung des intraabdominellen Drucks durch das Kapnoperitoneum ist außerdem ebenfalls ein Faktor, der über die Kompression von Gefäßen, Lungenabschnitten und intraabdominellen Bauchorganen wie zum Beispiel den Magen, ebenfalls eine Ursache für verschiedene Komplikationen sein kann. Da das zur Erzeugung des Kapnoperitoneums verwendete Gas - Kohlendioxid - vom Gewebe absorbiert wird und darüber im Blut transportiert und letztlich über die Lungenatmung wieder abgegeben werden kann, ist eine logische Folge dieser Operationstechnik ein temporär (um durchschnittlich etwa 8 bis 10 mmHg) erhöhter arterieller Kohlendioxidpartialdruck (paCO2) im Blut. Physiologische Werte des PaCO2 liegen im Bereich zwischen 35 bis 45 mmHg.


    Da die Erhöhung des intraabdominellen Drucks auf dem Boden des Kapnoperitoneums dazu führt, dass das Zwerchfell mechanisch angehoben wird, wirken auch auf die basalen Abschnitte der Lunge veränderte mechanische Bedingungen. Durch die Druckerhöhung und die Verlagerung des Zwerchfells kollabieren basale Abschnitte des Lungengewebes, sodass deren Funktion verloren geht. In der Folge sinkt die Funktionelle Residualkapazität (=Luftvolumen, das am Ende einer passiven Exspiration noch in der Lunge ist). Außerdem kommt es zu einer Verschiebung des Ventilations/Perfusions-Verhältnisses (=V/Q ratio), welches entscheidend für die Effizienz der pulmonalen Leistung - also sprich der Sauerstoffsättigung des Blutes - ist. Im Bereich des kollabierten Lungengewebes kommt es zur Entstehung von venös-arteriellen Shunts (= Bereiche die zwar perfundiert bzw. mit Blut versorgt aber nicht ventiliert bzw. mit Luft versorgt werden, sodass es dort zwar einen Blutfluss gibt, das dort fließende Blut allerdings nicht am Gasaustausch teilnimmt).


    Alles das sind Faktoren, die in der Konsequenz zu einer Erhöhung des alveolär-arteriellen Sauerstoffgradienten (A-aO2 bzw. A-a gradient = Differenz zwischen den Sauerstoffpartialdrücken der Luft in den Alveolen der Lunge und des arteriellen Blutes) führen. Der A-a gradient ist klassischerweise ein wichtiger diagnostischer Marker bei der Beurteilung der Intaktheit der alveolär-kapillären Einheit (alveolar-capillary unit).


    Was ist mit der alveolär-kapillären Einheit nun gemeint? Ganz grob rufen wir uns ins Gedächtnis, sind das die mit Luft füllbaren bzw. gefüllten terminalen Abschnitte der Atemwege, sprich die Lungenbläschen bzw. Alveoli. Und die Gefäße des Lungenkreislaufs, die an der Stelle wo der aterielle Schenkel in den venösen übergeht (wobei das im Lungenkreislauf ja bekanntlich immer etwas konträr zum Körperkreislauf abläuft im Hinblick auf die Sauerstoffsättigung) den geringsten Durchmesser aufweisen und als sogenannte Kapillaren mit den Alveoli in Kontakt treten um den Gasaustausch zwischen Blut und Luft zu ermöglichen.


    Um jetzt nicht noch weiter in den Grundlagen der Atmungsphysiologie zu versinken kehren wir aber besser schnell wieder zur chirurgischen Praxis zurück. Im Hinblick auf eben diese ist es für den Chirurgen viel wichtiger, auf der Grundlage der physiologischen Kenntnisse zu verstehen welche Faktoren für die Bewertung des Risikos eines Patienten Komplikationen im Verlauf des chirurgischen Eingriffs zu entwickeln, relevant sind.


    Die Komplikationen, die unter Umständen während des Eingriffs auftreten können ergeben sich pathophysiologisch aus den beiden Faktoren des Pneumoperitoneums, die ich angesprochen habe. Zum einen die mechanischen Effekte durch den erhöhten intraabdominellen Druck. Zum anderen die chemischen Effekte des für die Erzeugung und Erhaltung des Pneumoperitoneums insufflierten Kohlendioxids.


    Die mechanische Komponente, also der erhöhte intraabdominelle Druck wirkt auch auf die im Bauchraum verlaufenden Gefäße. Insbesondere die venösen Gefäße sind wegen ihrer vergleichsweise (verglichen mit den arteriellen) schwächer ausgeprägten Gefäßwände anfälliger für Kompression und konsekutive Verengung des Gefäßlumens. Im Abdomen verläuft die Vena cava inferior, die das Blut aus der unteren Extremität und den paaren Abdominalorganen aufnimmt und zum Herzen leitet. Da es durch den Druck zu einer Verengung der Vene kommt, sinkt auch der Blutfluss entsprechend sodass der venöse Rückstrom zum Herzen sich verringert. Ein geringerer venöser Rückstrom zum Herzen bedeutet, dass dort weniger Blut ankommt. Kommt weniger Blut im Herzen an, so sinkt das Auswurfvolumen des Herzens. Das Blut, das durch die veränderten Druckverhältnisse weniger im Herzen ankommt verbleibt in den peripheren Venen. Die Venösen Gefäße gehen aus den arteriellen Gefäßen hervor, sodass ein erhöhter venöser Widerstand in der Folge auch immer eine Erhöhung des Gefäßwiderstandes für den arteriellen Schenkel des Kreislaufs mit sich bringt.


    Diese Punkte sind vor allem bei Patienten mit einer dekompensierten kardialen Insuffizienz (schwache, unzureichende Herzleistung) entscheidende hämodynamische Komponenten, denen in der Planung des Eingriffes unter sorgfältiger Abwägung der Risikofaktoren Rechnung getragen werden muss um eine iatrogene Exazerbation der Pathologie zu verhindern. Bei Patienten mit bekannten dekompensierter kardiorespiratorischer Insuffizienz ist die Überlegung einen offenen Abdominalchirurgischen Eingriff der minimal-invasiven Variante vorzuziehen stets in Betracht zu ziehen. Durch entsprechende intraoperative i.v. Flüssigkeitsgabe kann dem Auftreten dieser Komplikationen vorgebeugt werden.

    Luciano Cesaro, M.D.

    Associate Professor of Medicine, Department of Surgery, University of Hamilton School of Medicine

    Chief of Surgery, Department of Surgery, Hamilton Grace Hospital

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  • Machen wir weiter mit den hämodynamischen Komplikationen, die sich aus dem Pneumoperitoneum ergeben.


    Wie schon erwähnt wird das insufflierte CO2 ja durch das Peritoneum rasch aufgenommen und an das Blut weitergegeben, wo sich dann dementsprechend der Kohlendioxid Partialdruck erhöht. Die physiologischen Effekte dieser Erhöhung des pCO2 sind nun zu diskutieren. Der physiologisch gesunde pCO2 liegt wie schon gesagt innerhalb eines definierten Bereiches von 35 bis 45 mmHg. Wird dieser überschritten spricht man von einer Hyperkapnie. Dieser Zustand der Hyperkapnie hat verschiedene Wirkungen auf den Organismus.


    Um nun mal die wichtigsten davon zu nennen. Es zeigte sich nämlich, dass der pulmonale Gefäßwiderstand (pulmonary vascular resistance, PVR) vom pCO2 abhängig ist. Der PVR wiederum ist ein Einflussfaktor auf die rechtsventrikuläre Auswurfleistung. Betrachten wir das folgende Bild, so verstehen wir auch warum das so ist.




    Der rechte Ventrikel pumpt das sauerstoffarme Blut in den Lungenkreislauf, wo es dann oxygeniert (= mit Sauerstoff gesättigt) wird. Verengen sich die Lungengefäße, so wird deren Innendurchmesser bzw. der Gefäßradius kleiner. Unter Anwendung des Hage-Poisseuile-Gesetzes, und wenn man dabei alle diejenigen Parameter des Gesetzes außer Acht lässt, die im Kreislaufsystem als konstant betrachtet werden können (Viskosität, Gefäßlänge) dann ergibt sich aus diesem Gesetz die Formel:

    • R = 1/r^4


    Der Widerstand ist also umgekehrt proportional zur 4. Potenz des Gefäßradius r. Wenn dieser sich also verringert, erhöht sich der entsprechende Gefäßwiderstand um die 4. Potenz des Betrages um den sich der Radius verkleinert hat. Nach dem Ohm'schen Gesetz für Flüssigkeiten wiederum gilt: I=ΔP/R
    I ist die Stromstärke in l/min also Volumendurchfluss pro Zeit (ΔV/Δt). Danach gilt dann ΔV/Δt = ΔP*r^4.
    Bei gleichbleibendem Druckunterschied würde sich aus der Vasokonstriktion (Verengung der Gefäße durch Kontraktion der Gefäßmuskulatur) also der Radius r verkleinern. Und um die 4. Potenz des Betrages der Verringerung des Gefäßradius würde dann entsprechend das Volumen, das pro Zeiteinheit durch den pulmonalen Kreislauf fließt, zurückgehen. Es ergibt sich also aus der Physik, weshalb eine Vasokonstriktion der pulmonalen Gefäße dazu führt, dass der rechte Ventrikel weniger Blutvolumen pro Kontraktion in den Lungenkreislauf einspeisen kann. Dieses Volumen bleibt nach der Kontraktion im rechten Ventrikel zurück. Man spricht dabei von der sogenannten Nachlast des rechten Ventrikels, die entsprechend bei einer Erhöhung des PVR steigt. Die Auswurfleistung des rechten Ventrikels dagegen sinkt.


    Die Frage ist nun ob, und in welcher physiologischen Kausalität der PVR vom pCO2 abhängig ist. Während der Einfluss des Sauerstoffpartialdrucks im Blut (pO2) auf die pulmonale Vasokonstriktion (Euler-Liljestrand-Mechanismus bzw. hypoxisch pulmonale Vasokonstriktion, HPV) seit Langem intensiver Gegenstand der Forschung ist, sind die physiologischen Zusammenhänge zwischen pCO2 und dem Kontraktionszustand der glatten Muskulatur der pulmonalen Gefäße wenig erforscht. Aus der Evidenz, die jedoch vorliegt, ergibt sich dass die singuläre Erhöhung des pCO2 im Blut ebenfalls zu einer Steigerung des PVR beiträgt.




    In diesem Zusammenhang wird analog zum als Euler-Liljestrand-Mechanismus bezeichneten Phänomen der hypoxisch pulmonalen Vasokonstriktion (HPV) auch von einer sogenannten hyercapnic pulmonary vasoconstriction (HCPV) gesprochen. Da demnach also durch die Hyperkapnie die pulmonalen Gefäße kontrahieren, was dazu führt dass der pulmonale Gefäßwiderstand gemäß der erörterten physikalischen Zusammenhänge ansteigt, ist eine Folge des Kapnoperitoneums eine folgliche Senkung der Auswurfleistung des rechten Ventrikels. Es kommt also zu einer rechtsventrikulären Nachlasterhöhung und einem Abfall des Blutstromes vom rechten Ventrikel über den Lungenkreislauf in den linken Vorhof. Da in der Folge der linke Ventrikel ebenfalls mit einem geringeren Blutvolumen versorgt wird, das er in den Körperkreislauf pumpen kann, verringert sich in der Folge der Hyperkapnie das Herzzeitvolumen (HZV).


    Weiterhin wichtig sind außerdem die systemischen Folgen der Hyperkapnie, die vor allem auf zentrale Strukturen zurück gehen.



    Wie in der Auflistung dargestellt, kann eine Hyperkapnie auch die Sympathikusaktivität steigern. Auswirkungen der Hyperkapnie auf die systemische Zirkulation lassen gemäß der verfügbaren Studienlage ab pCO2 Werten von 50 bis 70 mmHg beobachten. In diesem Bereich kann man bereits den Rückgang der Pumpleistung des Herzens beobachten. Die Sympathikusaktivierung führt weiterhin dazu, dass die Herzfrequenz katecholamininduziert ansteigt. Es lassen sich Tachykardien beobachten. Außerdem ist ein Anstieg der System- und Füllungsdrücke zu beobachten.


    Da wir nun auch die hämodynamischen Komplikationen der Laparoskopischen Chirurgie verstanden haben, kommen wir zu einer weiteren Komplikation, die man kennen sollte um fachgerechte Vorbereitungen zum Schutz des Patienten und zur Verbesserung des Outcome, treffen zu können.


    Zuvor ist allerdings noch eine Kleinigkeit hinsichtlich der chemischen Auswirkungen der Hyperkapnie auf den Blut-pH anzumerken. Der Säure-Base Haushalt des Blutes ist nämlich besonders stark vom Gleichgewicht des Bikarbonat-Puffer-Systems abhängig. Diesem liegt folgendes chemische Gleichgewicht zugrunde:

    • HCO3- + H+ ⇌ H2CO3 ⇌ CO2 + H2O


    Das bedeutet also dass einen Anstieg des im Blut gelösten CO2, das gemeinsam mit Wasser H2O über den Zwischenschritt der instabilen Kohlensäure H2CO3 zu H+ und Bikarbonat umgesetzt wird, auch einen Anstieg der im Blut gelösten Protonen (= H+-Ionen) zur Folge hat, was gleichbedeutend mit dem Abfall des pH-Wertes ist. Es kann also durch die Hyperkapnie zu einer Azidose (definiert als Blut-pH von unter 7,35) kommen.


    Eine Azidose kann wiederum eine Umverteilungshyperkaliämie verursachen. Dabei handelt es sich um einen Anstieg der Kaliumkonzentration im Serum auf Werte von über 5,2 mmol/L. Ist im Rahmen der Azidose die Protonenkonzentration im Blut erhöht, so regt das Zellen an über ein Austauscher-Protein, das in ihrer Zellmembran sitzt die überschüssigen Protonen aus dem Blut in ihr Zellinneres zu transportieren. Das entsprechende Plasmaprotein kann diesen einwärts gerichteten Transport von Protonen allerdings nur im Austausch gegen Kalium stattfinden lassen. Daher werden parallel zur zellulären Aufnahme der Protonen auch Kaliumionen aus den Zellen ins Blut transportiert, was zur Hyperkaliämie führen kann. Hyperkaliämie führt weiterhin zu einer steigerung der Muskulären Erregbarkeit und kann daher die Ursache für Extrasystolen und damit die Entwicklung von Herzrhythmusstörungen werden, die bei entsprechenden Voraussetzungen bis hin zum Kammerflimmern führen können.


    Der durch das Pneumoperitoneum erhöhte intraabdominelle Druck (IAP) wirkt neben den Gefäßen nämlich natürlich auch auf die intraabdominell liegenden Organe.




    Wie Sie sehen gehört dazu auch der Magen, in dessen Schleimhaut ja bekanntlich die Parietalzellen durch die Sekretion von Salzsäure dafür sorgen, dass der Magensaft ein saures Milieu in diesem Organ erzeugt. Erhöht sich nun der Druck auf die Magenwand, so besteht das Risiko, dass dieser Magensaft in die Speiseröhre gepresst werden und von dort dann insbesondere beim liegenden Patienten bis in den Rachen fließen kann. Der gastrale Reflux ist also erhöht. Da diese Magensäure eingeatmet werden und in die Atemwege reizen kann (= Aspiration), ist die Entstehung einer Aspirationspneumonie als mögliche Komplikation im Gedächtnis zu behalten.


    Es gelten hier wieder ähnliche anästhesiologische Prinzipien wie wir es ja bereits im Bezug auf die Rapid Sequence Induction (RSI) beim Nicht-Nüchternen Patienten, kennen gelernt haben. Einerseits ist bei der Beatmung die endotracheale Intubation der Larynxmaske vorzuziehen. Andererseits ist die Anlage einer nasogastralen Magensonde eine Möglichkeit um den Magen "trocken zu legen" um dadurch einem Reflux vorzubeugen.


    Eine Beatmung ist aber in jedem Fall notwendig, da dieser chirurgische Eingriff eine komplette Muskelrelaxierung (und damit auch die Ausschaltung der Zwerchfell- bzw. Atemmuskulatur) des Patienten erforderlich macht. Um die vollständige Relaxierung sicherzustellen, kann es sinnvoll sein diagnostisch die Möglichkeit des Neuromuskulären Monitorings auszuschöpfen. Diesem liegt das Prinzip zugrunde, dass man einen oberflächlich liegenden Nerven wie beispielsweise den N. ulnaris mit einem supramaximalen Reizstrom der Stärke 70mA in seinem Verlauf stimuliert und dann an den von diesem Nerv motorisch innervierten Muskeln mechanomyographisch die Reizantwort ableitet, die am Relaxometer dann angezeigt wird und einen objektiven Parameter zur Beurteilung der Relaxierung darstellt.


    Stellen wir also nun zusammenfassend noch einmal die Vor- und Nachteile der laparoskopischen Chirurgie gegenüber der konventionellen, offenen Operation zusammen.


    Vorteile

    • geringere postoperative Schmerzen → dadurch ist eine frühere postoperative Mobilisierung der Patienten möglich, was sich wiederum günstig auf das Thromboserisiko auswirkt.
    • die Reduktion der Schmerzen hat auch den günstigen Effekt, dass der Bedarf an Analgetika geringer ist
    • insgesamt kann die Dauer des Krankenhausaufenthaltes verkürzt werden, wodurch die Wahrscheinlichkeit dass sich der Patient mit nosokomialen Infektionen ansteckt gesenkt wird.
    • günstigere kosmetische Ergebnisse (kleinere Narben)
    • unkompliziertere Wundheilung


    Nachteile

    • kommt es zu intraabdominellen Blutungen, ist es mit den Instrumenten der minimal-invasiven Schlüssellochchirurgie schwieriger diese zu beherrschen als mit den Möglichkeiten, die man bei einem offenen Eingriff hätte
    • da der Chirurg nicht selbst manuellen Zugriff auf die inneren Organe hat, kann er auf die Informationen die ihm sein Tastsinn vermitteln würde nicht zugreifen
    • auch die Sicht auf das Operationsfeld ist bei der laparaskopischen Variante gegenüber der offenen Chirurgie beschränkt
    • die Operationsdauer ist länger als bei offenen chirurgischen Eingriffen
    • die Kosten für laparoskopische Eingriffe sind höher
    • der technische Aufwand ist höher

    Luciano Cesaro, M.D.

    Associate Professor of Medicine, Department of Surgery, University of Hamilton School of Medicine

    Chief of Surgery, Department of Surgery, Hamilton Grace Hospital


  • Valvular heart disease


    Heute widmen wir uns einem weiteren großen Thema innerhalb der Chirurgie. Mit der Herzklappenchirurgie betreten wir ein ausgesprochen komplexes und vielfältiges Themengebiet innerhalb der thorakalen Chirurgie. Herzklappenerkrankungen können entsprechend der Anatomie des Organs prinzipiell erst einmal Funktionseinschränkungen jede der vier Klappen des Herzens betreffen. Um zu Beginn eine allgemeine Grundlage zu schaffen, damit alle Zuhörer im Raum auch wissen, worüber wir reden, empfiehlt es sich die Anatomie des Herzens noch einmal unter die Lupe zu nehmen.


    Wir blicken in der folgenden Animation auf das, der Übersichtlichkeit zuliebe, angeschnittene Herz während seiner physiologischen Tätigkeit.


    Auf dieser Animation erkennt man zumindest drei der vier Herzklappen sehr gut. Man unterscheidet zwei Herzklappen, die als Ventil zwischen Vorhöfen und Ventrikeln dienen, die sogenannten Atrioventrikular-Klappen. Und solche, die als Ventil zwischen Ventrikel und nachgeschalteter Gefäßleitungsbahn (also rechter Ventrikel/Lungenkreislauf bzw. linker Ventrikel/Körperkreislauf) dienen. Was wir aus der Animation bereits ableiten können, ist die Erkenntnis dass diese Klappen offenbar abhängig von der Herzkontraktion öffnen und schließen können.


    Eine bessere Übersicht über die Anatomie des Herzens verschafft uns allerdings ein ruhendes Bild.



    Right atrium = Rechter Vorhof/Atrium (RA)

    Right ventricle = Rechte(r) Kammer/Ventrikel (RV)

    Left atrium = Linker Vorhof/Atrium (LA)

    Left ventricle = Linke(r) Kammer/Ventrikel (LV)

    Atrioventricular (tricuspid) valve = Trikuspidalklappe (zwischen RA und RV liegendes Ventil)

    Atrioventricular (mitral) valve = Mitralklappe (zwischen LA und LV liegendes Ventil)

    Semilunar valves = Aortenklappe + Pulmonalklappe


    Das sind im Grunde schon die relevanten Faktoren. Auf die Physiologie werden wir im weiteren Verlauf der Lecture noch eingehen.


    Ventil in diesem Sinne bedeutet, dass diese Klappensysteme dafür sorgen, dass der Blutfluss während der Tätigkeit des Herzens nur in eine bestimmte Richtung (RA → RV → Lungenkreislauf → LA → LV → Körperkreislauf) möglich ist. Während des Herzzyklus gibt es nämlich Augenblicke, in denen beispielsweise der Druck im rechten Ventrikel höher ist als derjenige, die im rechten Vorhof herrscht. Die Ventilfunktion der Klappen gewährleistet dabei, dass das Blut trotz dieser Druckverhältnisse nicht in die falsche Richtung fließt. Geschieht das nämlich, so handelt es sich um einen pathologischen Mechanismus, den man als Reflux oder Regurgitation bezeichnet.


    Um noch einmal die physiologische/gesunde Herzkontraktion zu sehen, eine letzte einführende Animation, in der der Blutfluss während der zyklischen Herzkontraktion in Abhängigkeit von der Funktionalität der Herzklappen dargestellt ist.


    R L


    Blau: Gefäße, die sauerstoffarmes Blut enthalten

    Rot: Gefäße, die sauerstoffreiches Blut enthalten

    R: Rechtes Herz → es wird die Seitenzuweisung aus der Sicht des Patienten vorgenommen

    L: Linkes Herz → "


    Und zu guter letzt noch einmal ganz kurz: Der rechte Ventrikel pumpt das Blut in den Lungenkreislauf, wo es mit Sauerstoff angereichert (=oxygeniert) wird. Danach gelangt es aus dem Lungenkreislauf in den Linken Vorhof. Von dort aus wird es in den linken Ventrikel gesaugt und dieser kontrahiert dann und pumpt das (oxygenierte) Blut in den Körperkreislauf. Unser Thema sind ja nun die Klappenerkrankungen. Daher gilt unsere Aufmerksamkeit von nun an ganz den in dieser Animation in weiß dargestellten Strukturen.


    Prinzipiell kann jede der vier Klappen betroffen sein. Und zwar besteht dort jeweils immer die Möglichkeit, dass sie schlechter öffnet oder schlechter schließt als es beim Gesunden der Fall sein sollte. Demnach resultieren entweder (im Rahmen der Austreibungsphasen) höhere Widerstände gegenüber der Pumptleistung des Herzens (→ schlechtere Öffnung durch Verengung der Ausgangspforten = Stenose). Oder aber es kommt aufgrund der fehlenden Fähigkeit sich ganz zu verschließen (Insuffizienz) zu einem Rückfluss von Blut in von einer nachgeschalteten Struktur in eine eigentlich vorgeschaltete.


    Klappen können also Stenosen oder Insuffizienzen aufweisen. Es gibt also im Hinblick auf die vier Klappen, die ich erwähnt hatte die folgenden Pathologischen Phänomene.


    [table='Beteiligte Klappe,Stenose,Insuffizienz/Regurgitation'] [*] Trikuspidalklappe [*] Trikuspidalklappenstenose [*] Trikuspidalklappeninsuffizienz/Regurgitation [*] Pulmonalklappe [*] Pulmonalklappenstenose [*] Pulmonalklappeninsuffizienz/Regurgitation [*] Mitralklappe [*] Mitralklappenstenose [*] Mitralklappeninsuffizienz/Regurgitation [*] Aortenklappe [*] Aortenklappenstenose [*] Aortenklappeninsuffizienz/Regurgitation

    [/table]

    Die Folgen, die sich aus Stenosen ergeben unterscheiden sich von denjenigen, die die Folge von Insuffizienzen sind. Liegt eine Stenose vor, so muss das Herz mehr Kraft aufwenden um Blut durch diese Klappe zu pumpen, woraus sich ergibt, dass die Masse der Herzmuskulatur und damit auch ihre Kontraktionskraft zunimmt. Es handelt sich dabei um eine sogenannte konzentrische Hypertrophie, die eine Anpassung an die erhöhten Drücke, die notwendig sind um den mechanischen Widerstand, der aus der Einengung der Ausflussbahn (=Stenose) resultiert, überwinden zu können. Umgekehrt verhält es sich bei einer Insuffizienz. Durch den Rückstrom kommt es dabei zu einer Volumenbelastung das entsprechenden Kompartiments. Die entsprechende Kammer bzw. Vorhof wird dabei wie ein Ballon gedehnt. Man spricht in diesem Fall von einer exzentrischen Hypertrophie.


    Eine kleine terminologische Anmerkung sei mir noch erlaubt. Im Grunde ist es nach dem was bisher besprochen wurde nicht mehr wirklich schwierig nachvollziehen zu können, warum man pathologische Veränderungen der Trikuspidal- und Pulmonalklappe als right heart diseases (=Rechtsherzerkrankungen) bzw. solche, die Aorten- oder Mitralklappe betreffen als left heart diseases (=Linksherzerkrankungen) bezeichnet.


    Nun wollen wir uns allerdings nicht unbedingt allzu sehr in der Physiologie des Herzens verlieren. Daher kommen wir nach diesen kurzen einführenden Worten nun auch zum eigentlichen chirurgischen Gegenstand unserer Lecture.


    Wichtig ist natürlich in diesem Zusammenhang auch einordnen zu können, welche Herzklappenerkrankungen von denjenigen, die wir jetzt kennen gelernt haben eigentlich häufig sind. Und welche von ihnen uns nicht primär allzu lange beschäftigen sollten, da sie verhältnismäßig selten auftreten. Dazu gibt es gute epidemiologische Daten, die eine klare Verteilung der Häufigkeiten dieser Anomalien offenbaren.


    Und kaum habe ich das gesagt, schon muss ich es auch wieder relativieren. Zwar ist es allgemein akzeptierter Fakt, dass die Aortenklappenstenose vor der Mitralklappeninsuffizienz die häufigsten Herzklappenerkrankungen darstellen. Außerdem ergeben epidemiologische Studien ebenfalls, dass Mitralklappenstenosen insbesondere in der Gruppe der schwangeren Frauen die am häufigsten auftretende Herzklappenerkrankung sind. Im Hinblick auf die Prävalenz von Aortenklappeninsuffizienz sowie Trikuspidalklappeninsuffizienz fällt auf der Basis der aktuellen Datenlage eine Zuordnung schwer. Auch die Prävalenz von Erkrankungen der Pulmonalklappen, ist in der Literatur häufig nicht berücksichtigt.


    Ein Überblick über die epidemiologische Verteilung der Haupttypen der Herzklappenerkrankungen, über die uns sinnvolle und eindeutige Informationen vorliegen, ist aber an dieser Stelle sicher nicht hinderlich um sich ein Bild über die Prävalenzverteilung zu machen.


    [table='Erkrankung,Mitralklappenstenose,Aortenklappenstenose,Mitralklappeninsuffizienz']
    [*] Prävalenz/Häufigkeit [*] Häufigste Herzklappenerkrankung bei Schwangeren [*] Schätzungsweise 2% der >65 Jährigen, 3% der >75 Jährigen, 4% der >85 Jährigen [*] 2% der Gesamtbevölkerung, unabhängig von Geschlecht
    [/table]


    Im weiteren wollen wir uns mit den besprochenen Erkrankungen der Herzklappen im Einzelnen auseinandersetzen. Kernwissen sind jeweils immer kurz beschreiben zu können welche Ursache bzw. Pathogenese zugrunde liegt, welche Symptome damit einhergehen, welche Therapie es gibt und wie die Prognose ist.


    Da wir ja schon festgestellt hatten, dass es scheinbar schwierig ist die Häufigkeit des Auftretens der Aortenklappeninsuffizienz epidemiologisch zu erfassen, und sich daher nun die Frage stellt warum das so ist, fangen wir mit genau dieser an.


    Aortenklappeninsuffizienz


    Ursachen: Bei über 80% der Patienten mit Aortenklappeninsuffizienz liegt eine sogenannte idiopathische anuloaortale Ektasie zugrunde. Dieser Begriff klingt komplizierter als er eigentlich ist. Denn der Terminus "Ektasie" bezeichnet nichts anderes als eine Ausdehnung bzw. sackartige Erweiterung eines Hohlorgans (in unserem Fall ist das entsprechende Hohlorgan die Aorta). "Aortal" bezeichnet die Hauptschlagader. Das "anulo-" als Präfix bezieht sich auf eine anatomische Struktur, die in dem Bereich der Aortenwurzel (=Ursprung der Aorta aus dem linken Ventrikel) liegt, in dem auch die Aortenklappe lokalisiert ist. Sie bezieht sich auf den Anulus fibrosis cordis (=bindegewebiger Ring des Herzens) bzw. insbesondere dessen Bestandteil, der als Anulus aortae bezeichnet wird.


    Diese Struktur müssen wir jetzt allerdings einordnen können. Wir stellen uns zu diesem Zweck zunächst einmal die Lage des Herzens im Bezug auf den gesamten Körper vor, und davon ausgehend gleichermaßen die Lage der aus dem linken Ventrikel hervorgehenden Aorta (=Hauptschlagader).

    RL

    Was wir also sehen ist das Herz, aus dem die Aorta entspringt, deren Stamm dann zunächst aufsteigend verläuft (→ Aorta ascendens; medianisch: ascendere = emporsteigen) und dann offensichtlich einen Bogen beschreibt (→ Arcus aortae; medianisch: Arcus = Bogen) um dann absteigend (→ Aorta descendens; medianisch: descendere = herabsteigen) weiter zu verlaufen. Wir sehen also im Gesamtbild, dass die Aorta aus dem Herzen entspringt (genauer gesagt entspringt sie aus dem linken Ventrikel; medianisch: ventriculus = kleiner Bauch). An dieser Stelle wo die Aorta aus dem linken Ventrikel entspringt, liegt ihre Wurzel (=aortic root).


    Diese können wir ebenfalls noch einmal im Detail begutachten.




    Nun wollten wir ja allerdings auf den Anulus aortae hinaus. Und dessen Lage können wir uns jetzt letztendlich vergegenwärtigen, wenn wir die Kenntnisse, die wir aus den letzten Minuten der Lecture gewinnen konnten mit der folgenden Abbildung in Einklang bringen. Auf dieser Darstellung ist nun das Herz nicht mehr abgebildet, sondern ausschließlich die Aorta, bei der uns im Hinblick auf die Lage des Anulus aortae im Grunde auch nur der aufsteigende Anteil (hier als Ascending aorta gekennzeichnet) interessiert.




    Und die Struktur, deren Lage uns ja interessierte (hier als Aortic annulus bezeichnet) können wir mithilfe unserer jetzt gefestigten anatomischen Kenntnisse bezüglich ihrer Lage in Relation zum Herzen einordnen. Histologisch (Histologie = Lehre von den Biologischen Geweben; abgeleitet von dionysch ἱστός histos „Gewebe“ und -logie, dion. λόγος logos „Lehre“) handelt es sich bei diesem Anulus aortae um eine feste, bindegewebige Struktur (für die Kollagenfasern verantwortlich sind).


    Da wir nun wissen, was der Begriff "Ektasie" (zur Erinnerung: Ektasie = Aussackung der Aortenwand) bedeutet, ebenso wie wir uns die Kenntnisse angeeignet haben, die notwendig sind um die Bezeichnung "anuloaortal" korrekt einordnen zu können, ist es trivial diese Bezeichnungen auch in der zusammengesetzten Form (anuloaortale Ektasie) zu verstehen und auf das folgende Erscheinungsbild zu übertragen.




    Auf dieser Darstellung sind drei verschiedene Klassifikationen von möglichen Erscheinungsformen einer Ausdehnung der herznahen Aortenwand aufgezeigt. Für die Pathogenese der Aortenklappeninsuffizienz relevant ist jedoch nur die mittlere, welche genau das beschreibt was wir gerade erörtert haben. Wenn Sie nun genau lesen was darunter geschrieben steht, dann erkennen Sie dass diese anuloaortale Ektasie auch als Marfanoid bezeichnet wird. Dieser Begriff liefert uns einen direkten Hinweis auf eine mögliche Ursache, die dieser pathologischen Veränderung zugrunde liegen kann - nämlich das Marfan Syndrom. Beim Marfan Syndrom (benannt nach seinem Erstbeschreiber Antoine Marfan) handelt es sich um eine genetische bedingte Erkrankung, bei der ein Gendefekt (durch Mutation des FBN1 Gens auf Chromosom 15) dazu führt, dass das normalerweise durch dieses Gen codierte Protein (Fibrillin-1), welches Bestandteil des Bindegewebes ist und diesem seine Stabilität verleiht, nicht richtig exprimiert wird. Darunter leidet auch die Stabilität des Bindegewebes in der Gefäßwand der Aorta. In der Folge dieses Mangels an Fibrillin-1 kommt es dazu, dass sich die Aortenwand in diesem Bereich allmählich immer stärker ausdehnt, was Folgen für die Funktionsfähigkeit hat. Auch die Segel der Aortenklappe bestehen aus Bindegewebe. Daher ergibt sich der Zusammenhang zwischen pathologischen Veränderungen der Aortenklappe und dem Marfan Syndrom. Und mit diesen pathologischen Veränderungen der Aortenklappensegel wiederum lässt sich das Zustandekommen der Aortenklappeninsuffizienz erklären. Es gibt allerdings auch noch weitere Ursachen bakterieller sowie genetisch erworbener Art, die zu einer Degeneration der funktionellen Architektur der Aortenklappensegel beitragen und in diesem Sinne für die Entstehung einer Aortenklappeninsuffizienz ursächlich sein können. Dazu gehören als Ursache für eine akut einsetzende Aortenklappeninsuffizienz die destruktiven Veränderungen, die durch eine bakterielle Infektion des Herzgewebes (bakterielle Endokarditis) ausgelöst werden, sowie direkte Gewalteinwirkung auf diese Strukturen (=Trauma). Eine länger bestehende (=chronische) Aortenklappeninsuffizienz kann auf der Basis einer falsch angelegten Architektur der Aortenklappe (angeboren: bikuspidale Aortenklappe = nur zwei Segel anstelle der gesunden drei) sowie durch den Erreger Treponema pallidum im Rahmen einer fortgeschrittenen tertiären Syphilis (syphilitische Aortitis) entstehen.


    Symptome: Pathophysiologisch finden wir in der Folge der funktionell geschädigten Aortenklappe einen Blutrückfluss (=Regurgitation) aus der Aorta in den linken Ventrikel vor, durch den es zu einer Volumenbelastung des Ventrikels und in der Folge zu einer exzentrischen Hypertrophie (Aufblähung des Ventrikels) kommt. Überschreitet diese "Aufblähung" einen kritischen Punkt, so entwickelt sich daraus eine fortschreitende Herzinsuffizienz, also sprich ein Verlust der Pumpleistung des linken Ventrikels mit der Folge von Unterversorgung des Körpers (z.B. des Gehirns) mit Blut. In der Folge der Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff kommt es entsprechend zum Auftreten von Synkopen (=plötzlich auftretender Bewusstseinsverlust, der über einen Zeitraum von mehreren Sekunden bis hin zu einigen Minuten andauert).


    Um das für die Aortenklappeninsuffizienz charakteristische sogenannte Musset-Zeichen oder auch De Musset's sign bezeichnete Phänomen zu verstehen, ist es abermals erforderlich die Grundlagen der Physiologie zu wiederholen. Und zwar geht es dabei hauptsächlich um die Windkesselfunktion der Aorta. Die herznahe Aorta ist ein Gefäß mit einem ausgesprochen großen Durchmesser und einer relativ dicken Gefäßwand. Auch im Hinblick auf deren physiologische Funktionen ist es allerdings zunächst einmal wieder erforderlich sich mit den mikrobiologischen Grundlagen auseinander zu setzen.


    Angedacht war eigentlich, dass Professor Stürmer, der uns als Dozent mit seinem wissenschaftlichen Beitrag als Visiting Professor aus seinem profunden wissenschaftlichen Repertoire, hätte bereichern sollen, diesen Part übernimmt. Nicht zuletzt auch deswegen weil er als Autor seines Buches "Grundwerk zur Analyse von einfacheren Gewebearten - Für Biomediziner und Zellbiologen" eine internationale Größe auf dem Gebiet der Mikrobiologie ist. Leider muss ich Ihnen zu diesem Anlass jedoch mitteilen, dass Doktor Stürmer verhindert ist und der Veranstaltung daher bedauerlicherweise nicht beiwohnen kann.


    In Ermangelung eines Experten dieses Fachbereiches muss ich Sie mit meiner verhältnismäßig begrenzten Kompetenz in diesem Fachgebiet vertrösten. Sollten Sie tiefergehende Informationen zum Thema Histologie, Biomedizin oder Neurobiologie erwerben wollen, so würde es sich empfehlen selbst einmal einen Blick in das Buch zu werfen, das unserer universitären Online Bibliothek freundlicherweise zum freien Zugriff von Prof. Stürmer bereitgestellt wurde. Hier sehen Sie den Titel und das Cover des Werkes, mit deren Hilfe Sie die Veröffentlichung von den öffentlichen Archiven der Medianischen Nationalbibliothek abrufen können.



    Worauf ich aber eigentlich nun hinaus wollte, waren die histologischen Eigenschaften der Wandstruktur der großen arteriellen Gefäße, zu denen ja auch die Aorta zählt. Eine mechanische Besonderheit weist nämlich die Histologie der Gefäßwand der Aorta auf. Die großen Arteriellen Gefäße sind aufgrund ihrer Wandstruktur nämlich ausgesprochen dehnbar. Diese sogennnte Compliance der Arterienwände bildet die Grundlage für die sogenannte Windkessel-Funktion der großen Arteriellen Gefäße.



    Hier sehen wir einen mikroskopischen Ausschnitt aus der Wand der Aorta und erkennen die ausgeprägte Anwesenheit von elastischen Fasern, die eine gewisse Dehnbarkeit der arteriellen Wände ermöglichen ohne dabei funktionell beschädigt zu werden, da sie das gespeicherte Blutvolumen im weiteren Verlauf wieder kontinuierlich abgeben und damit in den Kreislauf einspeisen und in diesem Sinne für einen kontinuierlichen diastolischen Blutdruck sorgen, der auch dann noch einen Blutfluss bereitstellt wenn die eigentliche Auswurfphase des Herzens schon beendet ist. Das während der Auswurfphase in den elastischen herznahen Gefäßabschnitten zwischengespeicherte Blutvolumen ist also die Ursache für den diastolischen Blutdruck.



    Dieses bezeichnet man als Windkessel Effekt.


    Dieser Windkesseleffekt ist allerdings davon abhängig, dass die Aortenklappe während der Diastole dicht verschlossen ist, da andernfalls das gespeicherte Blutvolumen auch in Richtung linker Ventrikel und damit entgegen der physiologischen Flussrichtung fließen kann, was zweierlei Effekte nach sich zieht. Erstens einen direkten Druckverlust während der Diastole aufgrund des verlustig gegangenen elastisch gespeicherten Blutvolumens. Und zweitens durch, als eine Folge des Rückflüsses in den linken Ventrikel entstehende Steigerung des Schlagvolumens während der nächsten Systole. Beide Faktoren tragen synergistisch dazu bei, dass die Blutdruckamplitude (also der Druckunterschied zwischen Systole und Diastole) größer wird. Wir finden dann einen Bluthochdruck vor, der sich allerdings auf den systolischen Druck beschränkt. Es handelt sich um eine isolierte systolische Hypertonie. Das Musset-Zeichen ist eine direkte Folge von dieser systolischen Hypertonie. Das Musset-Zeichen selbst bezeichnet ein pulssynchrones Kopfnicken, das durch die großen Unterschiede zwischen systolischem und diastolischem Blutdruck verursacht wird. Weitere ähnliche Symptome, die für eine schwere Ausprägung der Erkrankung sprechen, sind beispielsweise der sogenannte Wasserhammerpuls (Corrigan's pulse), oder das Duroziez's sign, bei dem ein ein diastolisches Herzgeräusch über der Arteria femoralis (femoral artery) auskultiert werden kann, wenn diese mit dem Stethoskop komprimiert wird.


    Lage der Arteria femoralis


    Bevor wir zu den Möglichkeiten der therapeutischen Behandlung dieser Erkrankung kommen, lassen wir uns die Zusammenfassung noch einmal kurz wiederholen.


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    Luciano Cesaro, M.D.

    Associate Professor of Medicine, Department of Surgery, University of Hamilton School of Medicine

    Chief of Surgery, Department of Surgery, Hamilton Grace Hospital

    5 Mal editiert, zuletzt von Luciano Cesaro ()

  • Worauf wir bislang allerdings noch nicht eingegangen sind ist das, was unterm Strich wirklich die Hauptaufgabe des Herzchirurgen ist. Das holen wir jetzt mit der Erörterung der Therapie der Aortenklappeninsuffizienz nach.


    Dazu schauen wir uns zunächst aber noch einmal die Darstellung derjenigen Pathologie, die wir (gegebenenfalls) chirurgisch zu beheben beabsichtigen, im Speziellen an.




    Was wir auf dieser Abbildung erkennen, sind einmal auf der linken Seite die strukturellen Gegebenheiten der Aortenklappe während der Diastole (Aortenklappe physiologischerweise verschlossen) wie wir sie beim Gesunden vorfinden. Und diesen gegenübergestellt auf der rechten Seite die entsprechenden pathologischen Äquivalente wie sie beispielsweise in der Folge fibrotischer Veränderungen auf der Basis angeborener Defekte oder des rheumatischen Fiebers bzw. der weiteren bereits erörterten Ursachen, entstehen können.


    Es gibt nun zwei unterschiedliche Herangehensweisen mit dieser krankhaften Strukturanomalie therapeutisch umzugehen. Handelt es sich bei dem Krankheitsverlauf des Patienten um eine asymptomatische Aortenklappeninsuffizienz, so ist eine konservative therapeutische Herangehensweise dem chirurgischen Klappenersatzverfahren vorzuziehen. Dasselbe gilt für Patienten, bei denen die OP-Risiken nach Risiko-Nutzen-Abwägung so hoch betrachtet werden müssen, dass eine chirurgische Intervention kontraindiziert erscheint. Prinzipiell gilt in den Leitlinien der Grundsatz, dass ein chirurgisch durchgeführtes Klappenersatzverfahren immer nur dann indiziert ist, wenn es sich um eine schwere Aortenklappeninsuffizienz handelt. Um das einordnen zu können, muss man sich der Kriterien bewusst sein, die bei der Einschätzung der Schwere definitionsgemäß vorausgesetzt werden.


    Diese Kriterien bauen vorrangig auf den Daten, die sich aus der echokardiographischen Diagnostik ergeben, auf. Da die Diagnostik von Herzklappenerkrankungen als kardiovaskuläre Pathologie über die apparative Diagnostik natürlich auch eine körperliche Untersuchung einschließen, gehe ich auch darauf zunächst einmal kurz ein, um zumindest ansatzweise ein grobes Bild der Grundzüge der diagnostischen Befunderhebung kardialer Erkrankungen - insbesondere unter Beteiligung der Herzklappen - zu skizzieren. Im Einzelnen wird der Ablauf Ihnen allerdings im Rahmen der kardiologischen Lecture-Reihe mit größter Wahrscheinlichkeit noch gelehrt werden, weshalb ich diesbezüglich nicht allzu viel Zeit aufbringen möchte.


    Bei einer fortgeschrittenen Aortenklappeninsuffizienz gehen die Symptome, die möglicherweise aufgrund der Fähigkeit des Herzens sich an die ansteigende Volumenbelastung durch den aorto-ventrikulären (→ Blut fließt ja aufgrund der fehlenden Abdichtung der Aortenklappe während der Diastole aus der Aorta in das Herz bzw. genauer gesagt den linken Ventrikel zurück = Regurgitation) Reflux (abgeleitet von medianisch refluxus = Rückfluss) durch eine Steigerung der aufgebrachten Pumpleistung (→ Herz bzw. linker Ventrikel wird leistungsfähiger durch eine entsprechende Hypertrophie der Muskulatur) lange kompensiert und in dadurch verschleiert werden konnten, auf die Entwicklung einer linksventrikulären Insuffizienz (dieser Punkt ist erreicht, wenn das durch die zunehmende Aortenklappeninsuffizienz hervorgerufene Refluxvolumen so groß geworden ist, dass die Kompensationsmechanismen der Herzmuskulatur ausgeschöpft sind, und das Herz daher nicht mehr in der Lage ist weiterhin einen ausreichenden Kraftbeitrag zur Aufrechterhaltung einer physiologisch erforderlichen Volumenejektion zu erbringen) zurück. Die Pathophysiologie sowie die klinische Symptomatik entspricht also derjenigen, die auch im Zusammenhang mit einer Linksherziinsuffizienz anderer Ursache, auftreten würde. Das ganze Sammelsurium von möglichen Symptomen einer Linksherzinsuffizienz dürfte für Ihre internistische/kardioogische Ausbildung von Bedeutung sein. Aus diesem Grund halte ich es für nützlich unseren Blick vielleicht doch etwas detaillierter auf die entsprechende Symptomatik zu richten, die folgende Abbildung auch relativ umfassend tut.




    Ihre diagnostische Arbeit mit dem Patienten, bei dem sich Ihnen der Verdacht auf das Vorliegen einer Linksherzinsuffizienz aufdrängt, enthält neben einer vorangehenden vollständigen Anamnese bekanntlich auch immer die Stationen von Inspektion (=Begutachtung bzw. Erfassung sichtbarer Hinweise auf pathologische Zeichen), Palpation (=Betasten des verdächtigen Areals), Perkussion (=Untersuchung durch Abklopfen des Patienten) und Auskultation (=Abhören mithilfe eines Stethoskops).


    Die Patienten, die nun eine Linksherzinssufizienz (z.B. im Rahmen einer Aortenklappeninsuffizienz) aufweisen, können bereits im Zuge der anamnestischen Erhebungen Hinweise liefern, die auf das Vorliegen einer Linksherzinsuffizienz hinweisen können. Durch die Linksherzinsuffizienz sinkt das vom Herzen in Richtung des Körperkreislaufs ausgeworfene Blutvolumen, und damit auch das Angebot an Nährstoffen und Sauerstoff im Gefäßsystem. Dieser Sauerstoffpartialdruck des Blutes wird seinerseits von peripheren Chemorezeptoren (dabei handelt es sich um spezialisiertes Gewebe, das in den Gefäßwänden liegt und als ein Teil des Nervensystems die gesammelten Informationen über die chemische Zusammensetzung des Blutes an zentralnervöse Strukturen übermittelt) die sich in den Carotiden (Arteriae carotides = Halsschlagadern) sowie im Arcus aortae (=Aortenbogen) befinden und beispielsweise auf Hyperkapnie reagieren. Daneben existieren auch in der Medulla oblongata (einem Bestandteil des Stammhirns) zentrale Chemorezeptoren, die analoge Aufgaben übernehmen und ebenfalls bei zu großen Abweichungen der gemessenen Werte von den Soll-Werten, Alarm schlagen und dieses dem Großhirn melden. Dieser sensorische Input bewirkt auf zentraler Ebene dann die Entstehung eines subjektiven Erstickungsgefühls, das man als Dyspnoe bezeichnet.


    Die neurophysiologischen Einzelheiten, die sich im Detail dahinter verbergen wären abermals von Professor Stürmer zu erörtern gewesen. Da dieser, wie ich bereits erwähnt hatte, allerdings gegenwärtig verhindert ist, müssen Ihnen meine Ausführungen zu diesem Thema vorerst genügen.




    Dieses Gefühl der Atemnot wird ihnen von Patienten mit Linksherzversagen bzw. erheblicher symptomatischer Linksherzinsuffizienz auch anamnestisch berichtet.


    Einmal mehr erinnern wir uns nun außerdem an den bereits im Zusammenhang mit den Komplikationen des Pneumoperitoneums angesprochenen Lungenkreislauf (Pulmonary circuit), über den der Blutfluss des rechten Herzens mit den Strukturen des linken Herzens ja miteinander in Verbindung stehen. Anhand des folgenden Bildes können wir uns diese physiologischen Zusammenhänge noch einmal bildhaft ins Gedächtnis rufen.



    Anhand dieser Darstellung lässt sich ableiten, welche weiteren Folgen ein solches isoliertes Versagen des linken Ventrikels haben kann. Durch die insuffiziente Austreibung des Blutvolumens aus dem linken Ventrikel in die Aorta (hier verursacht durch den Rückfluss des Blutes aus der Aorta in den rechten Ventrikel) kommt es zu einer erhöhten Volumenbelastung des linken Ventrikels und im nächsten Schritt zu einem Rückstau des Blutes innerhalb der vorangeschalteten Gefäßabschnitte. Die direkt vorgeschaltete Struktur im Bezug auf den linken Ventrikel ist zunächst einmal der rechte Vorhof. In diesen gelangt das Blut unmittelbar nachdem es den Lungenkreislauf durchlaufen hat und in diesem mit Sauerstoff aus der Atemluft angesättigt wurde. Der Rückstau des Blutes betrifft zunächst also den rechten Vorhof. Und als nächstes dann auch den Lungenkreislauf, indem es dadurch zu einer Erhöhung des Blutdruckes kommt, der sogenannten pulmonalen Hypertonie.


    Im Rahmen dieser pulmonalen Hypertonie (→ der Druck innerhalb der Gefäße ist durch den kardiogenen also vom Herzen ausgehenden Rückstau des Blutes innerhalb der Gefäße des Lungenkreislaufs erhöht) wird dann das Blut aus den Gefäßen heraus in das Lungengewebe und unter anderem auch die Lungenbläschen (=Alveoli) filtriert. Das entstehende Phänomen bezeichnet man als kardiogenes Lungenödem. Also eine Flüssigkeitsansammlung innerhalb des funktionellen Lungengewebes (interstitielles Ödem), welche sich auch innerhalb der Alveoli kumulieren kann und dort dann die Luft verdrängt. Das Auftreten eines pulmonalen Lungenödems ist insbesondere dann zu beobachten wenn sich die Linksherzinsuffizienz rasch fortschreitend entwickelt hat, sodass der Körper keine Zeit hatte um sich entsprechend auf die Veränderung der physiologischen Gegebenheiten einzustellen. Das kardiogene Lungenödem tritt daher spezifisch bei Vorliegen der akuten Aorteninsuffizienz auf. Nachts kommt es durch die horizontale Lagerung des Körpers, in der zusätzliches Blut durch die Aufhebung der Schwerkraftwirkung, die im Stehen dazu führt, dass ein gewisser Anteil des Blutvolumens in den Gefäßen der unteren Extremitäten versackt, nun zusätzlich zum ohnehin schon das Herz überfordernde Volumen eine weitere Steigerung der kardialen Belastung darstellt. Wegen dieser Zusammenhänge ist ein weiteres klassisches Symptom der Linksherzinsuffizienz (ungeachtet ihrer Ursache) das Auftreten nächtlicher Hustenanfälle, die sich mit Dyspnoe paaren und auch als Asthma cardiale bezeichnet werden. Eine Komplikation, die sich auf der Grundlage der des kardialen Lungenödems ausbilden kann ist eine dadurch hervorgerufene respiratorische Insuffizienz (also die Unfähigkeit aufgrund des flüssigkeitsgefüllten Lungenparenchyms weiterhin funktionell zu atmen) als ernstzunehmende Manifestation der kardialen Dekompensation infolge des durch die Aortenklappeninsuffizienz ausgelösten Linksherzversagens.


    Okay. Da wir nun aber endlich in Richtung herzchirurgischer Action kommen wollen, verzichte ich darauf die beiden auskultatorischen Befunde (Austin-Flint-Geräusch sowie das Protodiastolikum mit Decrescendo-Charakter unmittelbar nach dem 2. Herzton, welches man am Auskultationsort der Aortenklappe im 2. Intercostalraum rechts, parasternal als charakteristischen Hinweis auf das Vorliegen einer Aortenklappeninsuffizienz aufsuchen kann) näher zu erläutern, und komme stattdessen lieber wieder zurück zu unseren Kriterien für die Einstufung der Schwere einer vorliegenden Aortenklappeninsuffizienz als Grundlage für die Entscheidung darüber ob die Indikation für ein operatives Vorgehen im Sinne eines chirurgischen Aortenklappenersatzes nun gegeben ist oder eben nicht.




    Es existiert also gemäß der ASE (Astorian Society of Echocardiography) eine Leitlinie, die wir bei der Beurteilung des Schweregrades der vorliegenden Aortenklappeninsuffizienz als Grundlage für unsere Einschätzungen heranziehen können. Beurteilt wird hier anhand der auf der Abbildung dargestellten Kriterien der Aortenklappenmorphologie (=Erscheinungsbild der pathologisch veränderten bzw. der von der vermuteten pathologischen Veränderung betroffenen Aortenklappe im Rahmen der echokardiographischen Untersuchung mittels transthorakaler Echokardiographie), die Größenordnung des Rückflusses, der durch die Aortenklappe in den linken Ventrikel fließt (Farbdopplerinsuffizienzjet), insbesondere auch die Geschwindigkeit des umgekehrten enddiastolischen Blutflusses in der Aorta ascendens (EDV), sowie weitere Faktoren, auf die ich nicht im einzelnen eingehen will.


    Zusammenfassend kann man hinsichtlich der Indikationsstellung für einen chirurgischen Klappenersatz festhalten, dass die entscheidenden indikationsstellenden Bedingungen folgende Fragen berücksichtigen sollten:


    Luciano Cesaro, M.D.

    Associate Professor of Medicine, Department of Surgery, University of Hamilton School of Medicine

    Chief of Surgery, Department of Surgery, Hamilton Grace Hospital

    Einmal editiert, zuletzt von Luciano Cesaro ()

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