Beim Gericht ging die folgende Klage ein:
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Hamilton, Freeland, den 27. September 2006
In dem Rechtsstreit
- Eugene Monroe, Freeland,
Merkin Muffley, Freeland -
beide vertreten durch Merkin Muffley als Prozessbevollmächtigtem (unter Vorlage der erforderlichen Vollmacht),
gegen
Das Electoral Office der Vereinigten Staaten von Astor, vertreten durch den Director Jerome Davenport,
wird beantragt, durch Preliminary Injunction anzuordnen:
1. Die vom Electoral Office eingeleiteten und derzeit laufenden Wahlen zum Präsidenten der Vereinigten Staaten sind unverzüglich abzubrechen.
2. Hilfsweise wird beantragt, anzuordnen, dass die genannten Wahlen regulär fortgesetzt werden, die Ergebnisse aber bis zur Klärung in der Hauptsache nicht verkündet werden dürfen.
3. Ferner wird beantragt, das Verfahren in der Hauptsache zu eröffnen und dort festzustellen, dass die genannten Wahlen rechtswidrig und daher ungültig sind und keine Legitimiation für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten darstellen können.
Begründung:
Zu 1.:
Beide Voraussetzungen für den Erlass einer Preliminary Injunction, nämlich Anordnungsanspruch, insbesondere hinreichende Erfolgsaussichten in der Hauptsache, sowie Anordnungsgrund, insbesondere Eilbedürftigkeit, sind gegeben.
a) Der Anordnungsanspruch liegt darin begründet, dass die derzeit laufende Wahlen rechtswidrig sind und daher keine ausreichende Legitimiationsgrundlage für das Amt des Präsidenten der VS Astor darstellen können. Wegen des Rechtsscheins, den die Verkündung eines Wahlergebnisses durch das Electoral Office erzeugt, haben die Antragsteller ein schützenswertes rechtliches Interesse an der Feststellung dieser Rechtswidrigkeit durch den Supreme Court, weshalb das im Rahmen von Feststellungsanträgen erforderliche Feststellungsinteresse hier zu bejahen ist. Die Antragsbefugnis, also das subjektive Betroffensein der Antragsteller in einem eigenen Recht, ergibt sich daraus, dass die Bundesverfassung den Bürgern Astors das Recht, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu wählen, als subjektives Recht verleiht (vgl. Art II s 6, Art IV s 4 subsection 1) und daher eine rechtswidrige Wahl auch eigene Rechte astorischer Bürger verletzt.
Die Rechtswidrigkeit der Wahl ergibt sich aus dem Fehlen von Alternativen, zwischen denen die Stimmberechtigten wählen können. Schon begrifflich setzt das Wort "Wahl" die Existenz von Alternativen voraus, zwischen denen "gewählt" werden kann. Bei der derzeit laufenden Wahl kann hiervon keine Rede sein; es wird nur eine Option zur Verfügung gestellt, namentlich die Zustimmung zum Wahlvorschlag Scriptatore/Armstrong.
Des Weiteren wird der für unser Gemeinwesen fundamentale und in Art I s 1 und s 2 verfassungsrechtlich verankerte Grundsatz der Demokratie verletzt, wonach jegliche Ausübung von Staatsgewalt einer ununterbrochenen Legitimationskette, die letztendlich zum Volk bzw. Volkswillen führt, bedarf. Ein auf Grundlage der genannten "Wahl", die in Wirklichkeit keiner ist, ausgerufener Präsident hätte keinerlei demokratische Legitimation, da es keinen vom Willen des Volkes getragene Willensbetätigung gab, die die Entscheidung zur Berufung dieser Person zum Amt des Präsidenten ausspräche. Damit wäre diese Person aber auch von der Ausübung des Amtes des Präsidenten, das notwendigerweise die Ausübung staatlicher Gewalt beinhaltet, ausgeschlossen.
Die vom Electoral Office gewählte Praxis steht auch in Widerspruch zu astorischem Verfassungsgewohnheitsrecht. Dabei sei vorausgeschickt, dass Gewohnheitsrecht nicht per se auf einem niedrigeren Rang steht als geschriebenes Recht. Vielmehr ist Gewohnheitsrecht, das auf Verfassungsrang steht, Verfassungsrecht in jedem Sinne des Wortes, nur eben nicht geschriebenes; Kollisionen mit geschriebenem Recht sind nicht durch einen automatischen Vorrang des geschriebenen Rechts zu lösen, sondern durch die allgemeinen Regeln, wonach das allgemeine Recht vom spezielleren und das ältere vom jüngeren verdrängt wird. Diese Grundsätze sprechen hier für die Rechtswidrigkeit der Praxis des Electoral Office. In Astor wurde es seit langem sowohl auf Bundes- wie auf Staatsebene so gehandhabt, dass bei Wahlen, bei denen nur ein Kandidat antritt, eine Zustimmungs- und eine Ablehnungsoption zur Verfügung stehen. Dies wurde auch nie ernsthaft in Frage gestellt, weshalb die beiden Voraussetzungen für die Entstehung von Gewohnheitsrecht, nämlich ständige Übung und allgemeine Überzeugung (consuetudo bzw. opinio iuris) gegeben sind. Dies wurde auch nicht durch die neue Verfassung von 2005 aufgehoben bzw. geändert, da auch nach deren Inkrafttreten Präsidentschaftswahlen, Senatorenwahlen und Gouverneurswahlen, deren Rechtmäßigkeit vom Supreme Court festgestellt wurde, nach diesem Prinzip durchgeführt wurden und die genannte Praxis damit bestätigt ist.
Des Weiteren steht die Praxis des Electoral Office in Widerspruch zum Grundsatz der Freiheit der Wahl, Art IV s 4 subsection 1 Satz 2 der Verfassung. Freiheit der Wahl setzt die Abwesenheit unzulässiger Einflussnahme auf das Wahlverhalten voraus. Hiervon kann in Fällen, in denen dem Wähler nur eine einzige Option zur Verfügung steht, keine Rede sein.
Verfehlt ist der Hinweis auf Erklärungen von Mr Sherman, dem Autor der Verfassung. Die historische Auslegung von Rechtsnormen, die nach den Gedanken der Gesetzgeber bei der Abfassung der Norm fragt, kann wertvolle Hinweise für die Auslegung des Textes liefern. Diese Hinweise sind jedoch keineswegs endgültig und verbindlich. Bei Vorliegen von ausreichenden Gründen, die für eine dem Willen des historischen Gesetzgebers widersprechende Auslegung sprechen, ist diese zugrunde zu legen, da der Wille des Gesetzgebers nicht identisch ist mit dem des Gesetzes. Dies ergibt sich schon aus der ständigen Fortentwicklung des Rechts durch Forschung, Lehre und Rechtsprechung sowie aus den bei der Abfassung des Textes unvorhergesehenen und unvorhersehbaren weiteren Entwicklungen. Gestützt wird diese Auffassung auch durch Art V s 1 subsection 1 und Art V s 2 subsection 1 der Verfassung gestützt, wonach die letztverbindliche Auslegung der Bundesverfassung Aufgabe und Befugnis des Supreme Court und eben gerade nicht der Verfassungsväter ist. Des Weiteren ist rechtsmethodisch anerkannt, dass die wichtigste und zentrale Auslegungsmethode, der Ausgangspunkt aller Auslegung, der Wortlaut der Norm ist, welcher in diesem Falle der Auffassung des Mr Sherman widerspricht. Eine extrem subjektiv-historisch orientierte Auslegung, wie sie in der Diskussion um die Wahl verschiedentlich vertreten wurde, kann nicht dem objektiv-rechtlichen Charakter der Verfassung gerecht werden.
Verfehlt ist weiterhin der Schluss, aus der Formulierung in Art IV s 4 subsection 1 Satz 2 der Verfassung "Die stimmberechtigten Bürger sollen [...] für einen Wahlvorschlag [...] votieren" ergebe sich die Unzulässigkeit einer Ablehnungsoption. Diese Auslegung gibt der Wortlaut der Vorschrift nicht her; sie ist schon in sich unlogisch, da auch bei Präsenz mehrerer Kandidaten die Entscheidung für einen Vorschlag notwendigerweise die Ablehnung aller anderen mit sich bringt. Die genannte Vorschrift ist lediglich grammatisch so konstruiert, um den Willen der Verfassung zum Ausdruck zu bringen, dass die Wahlvorschläge, die zur Verfügung stehen, einen Präsidentschafts- und einen Vizepräsidentschaftskandidaten umfassen müssen, was keineswegs selbstverständlich ist. Allein an dem Wort "für" die gesamte abstruse Argumentation einer Unzulässigkeit von Ablehnungsoptionen aufzuhängen, ist eine maßlose Überdehnung des Wortlautes der Vorschrift zu einer Deutung, die die Norm nicht hergibt.
Völlig verfehlt ist letztlich der Hinweis auf ein "Selbstverschulden" des Volkes daran, dass es keine Auswahlmöglichkeiten habe, weil es keinen zweiten Präsidentschaftskandidaten gibt. Die Abwesenheit eines zweiten Kandidaten kann nicht dazu führen, dass einzelnen Bürgern das Recht auf Wahl, sei es zwischen mehreren Bewerbern oder zwischen einer Zustimmungs- und einer Ablehnungsoption genommen wird. Andernfalls würde entweder ein Kollektivverschulden der astorischen Bevölkerung an der Abwesenheit weiterer Bewerber postuliert, was aber mit dem subjektiv, also gerade nicht kollektiv, ausgelegten Charakter des Wahlrechts unvereinbar wäre; oder aber es würde über die Hintertür eine Pflicht der Astorier zur Kandidatur eingeführt, was ersichtlich nicht im Sinne der Verfassung ist und sein kann.
b) Der Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit, liegt darin begründet, dass bei einer Verkündung eines Ergebnisses dieser rechtswidrigen Wahl die Schaffung vollendeter Tatsachen zu befürchten ist, die eine Klärung in einem anschließenden Hauptverfahren erschweren. Hinzu kommt die Schaffung eines bedenklichen Rechtsscheins, der sich auf die Verkündung des Ergebnisses stützen könnte und den es wegen der Rechtswidrigkeit der hieraus folgenden Resultate zu verhindern gilt. Eine Entscheidung in der Hauptsache ist bis zum regulären Ende der Wahl nicht zu erwarten.
Zu 2.:
Sollte das Gericht eine Unterbrechung der Wahl für unverhältnismäßig oder unzweckmäßig erachten, ist zumindest zur Vermeidung der genannten Folgen einer Verkündung des Wahlergebnisses das weniger einschneidende Mittel, namentlich eine Fortführung der Wahl bei gleichzeitiger Untersagung der Verkündung des Ergebnisses, zu wählen. Entsprechend wird beantragt.
Zu 3.:
Wegen des Charakters der Preliminary Injunction als Rechtsbehelf des einstweiligen Rechtsschutzes ist in diesem Verfahren nicht die Begründetheit des geltendgemachten Anspruchs, sondern nur die hinreichende Erfolgsaussicht zu prüfen. Die endgültige Klärung der Rechtslage ist Sache des Hauptsacheverfahrens, dessen Eröffnung folglich erforderlich wird.
Gez. Muffley
Die Vollmacht für Mr. Monroe liegt dem Gericht vor. Sie wird anerkannt.
Die Klage wurde dem Beklagten zugestellt. Er erhält Möglichkeit zur Erwiederung der Klage auf dem Schriftwege binnen 72 Stunden. Danach wird über die Annahme des Hauptsacheverfahrens zur Entscheidung entschieden.
Derweilen ergeht folgende Einstweilige Anordnung:
ZitatAlles anzeigenTHE SUPREME COURT OF THE UNITED STATES OF ASTOR
Im Verfahren Monroe, Muffley vs. Electoral Office ergeht die folgende
EINSTWEILIGE ANORDNUNG
bis zur Entscheidung über die Annahme des Hauptsacheverfahrens zur Entscheidung, spätestens bis zur Entscheidung des Hauptsacheverfahrens:
I. Die vom Electoral Offie eingeleiteten und derzeitigen Wahlen zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Astor sind regulär fortzuführen.
II. Die Verkündung des Wahlergebnisses der laufenden Präsidentschaftswahl hat bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren zu unterbleiben.
BEGRÜNDUNG:
Es liegen die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendigen Gründe vor.
A) Zulässigkeit
Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist zulässig.
I)
Die Zulässigkeit des Supreme Courts in der Hautsache ist aus Art. V. Sec. 3 Subsec. 1, 3. Variante der Constitution gegeben.
II)
Eine Berechtigung der Antragsteller im Hauptsacheverfahren ist gegeben. Berechtigt für das Hauptsacheverfahren kann aufgrund des Prinzips der allgemeinen Wahl nach Art. IV, Sec. 4 Subsec. 1 Constitution jeder Bürger der Vereinigten Staaten sein, die Antragsteller sind Bürger der Vereinigten Staaten.
III)
a) Der Antrag Nr. 1 auf Abbruch der Wahl ist unzulässig. Er stellt eine Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens da, da er effektiv auf die Erreichung des Ziels des Hauptsacheverfahrens, die Annulierung der betroffenen Wahl bzw., dem gleichbedeutend, die Verhinderung des Zustandekommen eines rechtsgültigen Ergebnisses, hinauslaufen würde.
b) Der Antrag Nr. 2 auf Unterbindung der Veröffentlichung des Ergebnisses ist zulässig. Er stellt keine Vorwegnahme des Hauptsacheverfahrens da.
B) Begründetheit
Der Antrag auf einstweilige Anordnung ist begründet.
I)
Eine Unzulässigkeit der Klage von vorne herein oder eine offensichtliche Unbegründetheit des Hauptsacheverfahrens liegt nicht vor.
II)
Bei der Abwägung der Folgen, welche der Erlass der einstweiligen Anordnung bei späterer Erfolglosigkeit des Hauptsacheverfahrens gegenüber der Verweigerung der einstweiligen Anordnung bei späterem Erfolg des Hauptsacheverfahrens haben könnte, ist eindeutig dem Erlass der einstweiligen Anordnung der Vorzug zu geben, da die Folgen weniger gravierend sein.
Würde die einstweilige Anordnung nicht erteilt werden, so bestünde die Möglichkeit, dass durch eine verfassungswidrige Wahl ein Präsident ins Amt gelangt, durch seine Vereidigung das Amt offiziell übernimmt und dann eine offizielle Vertretung der Vereinigten Staaten vornimmt, Regierungsakte erlässt und die in Politik der Vereinigten Staaten in gravierender Weise eingreift. Würde dieser Präsident im Anschluss wieder aus dem Amt entfernt, so kann es nicht ausgeschlossen werden, dass ein durch eine verfassungskonforme Wahl gewählter Präsident durch die Politik seines unrechtmäßig ins Amts gelangten Vorgänger schwerwiegend beeinflusst wird.
Dem gegenüber sieht es das Gericht als weniger gravierend an, dass der gewählte Präsident, wenn das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens das Wahlergebnis als verfassungskonform bestätigt, sein Amt mit eingen Tagen Verzögerung antritt und die Regierungsgeschäfte mit geringfügiger Verzögerung übernimmt. Da während dieser Zeit die Führung der Regierungsgeschäfte durch den Acting President wahrgenommen wird und die Führung der Regierungsgeschäfte in jedem Falle gewährleistet ist, stellt sich diese Maßnahme in der Folgenabwägung als deutlich weniger gravierend dar.
Eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren ist nicht erfolgt.
Astoria City, 28.09. 2006
Ulysses S. Finnegan jr.
Chief Justice