SAALS.org - The Society for the Advancement of the Astorian Legal System

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  • "Case set aside, the Dicta is a Catastrophe"
    Zum jüngsten Urteil des U.S. District Court for the 4th District (LA) unter Vorsitz von Judge Jonathan B. Coolidge im Verfahren District of Laurentiana: Stone ./. Bowler kommentiert Executive Director Meredith Parker-Gowans: "Über die Entscheidung an sich möchte ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht unbedingt sprechen - da gilt es, erst einmal etwaige Rechtsmittel abzuwarten und in Ruhe zu analysieren. Was mich persönlich aber auf jeden Fall entsetzt hat, das ist das Schlusswort des Gerichts, hier beinahe die Form eines weiteren Urteilsgrundes annehmend, der für die Entscheidung am Ende unerheblich war. Dieses 'Dicta' von Judge Coolidge in Richtung des unterlegenden Beklagten lautet im Wesentlichen: 'Die Tatsache, dass Sie sich in der Hauptversammlung nur wiederholen konnten, und nicht auf die Argumente des Klägers eingegangen sind, zeigt, dass Ihre Argumentation allein auf der von Ihnen gerne genannten «geübten Rechtstradition» basiert.'


    Wie ist diese Äußerung vor dem Hintergrund des Verfahrensausganges anders zu verstehen als als eine Geringschätzung eben jener 'geübten Rechtstradition'? - Unabhängig von der Substanz des Verfahrens ist das ein Vorgang, der unsere Aufmerksamkeit erfordert, denn unser alberno-astorisches Rechtssystem verlässt sich in weiten Teilbereichen auf nichts mehr und nichts weniger als eben die Tradition der Rechtsanwendung, den Precedent. Wenn ein Bundesgericht der Vereinigten Staaten nun aber dazu kommt, eine Argumentation nicht etwa aus dem Grund zurückzuweisen, dass sie inhaltlich lückenhaft, inkoheränt oder vom Kern des Problems abweichend ist, sondern aus dem Grund, dass sie sich - vermeintlich - lediglich auf Rechtstraditionen beruft, so ist das eine Gefahr für unser Rechtssystem und ein Vorgang, eine Katastrophe."

  • Common Law - A Definition
    by Prof. Esmé Gour, Hamilton Law School


    Ich bin ein stolzes Gründungsmitglied der Society for the Advancement of the Astorian Legal System, weil ich glaube, dass ein starkes Rechtssystem eine große Errungenschaft ist, die Fürsprecher braucht. Fürsprecher einerseits, die sich auskennen, mithin studierte Juristen. Andererseits sind Recht, das Verfahren seiner Durchsetzung und die an ihm beteiligten Organe kein Selbstzweck: Sie dienen den Bürgerinnen und Bürgern - diese Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, zu verstehen, was die Grundpfeiler ihres Rechtssystems sind. Das ist allerdings im scheinbar unendlichen Dschungel der Fachbegriffe und uralten Konzepten oft gar nicht so einfach. Dieser Dschungel beginnt schon beim ersten Satz: "Das Rechtssystem der Vereinigten Staaten ist das Common Law." Was genau aber ist Common Law?


    Um zunächst einmal mit einem Missverständnis aufzuräumen: Verfassung und Gesetze (sogenanntes Statutory Law) sind nicht Teil des Common Laws, sondern folgen dem Willen von Verfassungs- und Gesetzgeber. Der oft gehörte Satz "Wo der Gesetzgeber tätig geworden ist, bleibt für Common Law keinen Platz" allerdings trifft den Kern der Sache auf der anderen Seite aber auch nicht, denn nur selten sieht sich der Gesetzgeber dazu berufen, ein gesamtes Rechtsgebiet umfassend zu regeln und das Common Law bewusst vollständig zu verdrängen (so etwa im Strafrecht mit dem Federal Penal Code). Allerdings gilt auch in diesen Bereichen, was für andere Gesetze erst recht zu beachten ist: Auch kodifiziertes Recht bedarf eines gewissen Unterbaus und gewissen Anwendungsregeln, die im Wesentlichen aus den Grundsätzen des Common Laws heraus gebildet werden können. Das gilt auch für die Rules of Interpretation zur Auslegung von Rechtssätzen, die in der Tradition des Common Laws einen wichtigen Platz haben.
    Klar und unzweifelhaft ist aber: Entgegen der eindeutigen Regelung von Verfassung oder Gesetz erhebt das Common Law keinen Anspruch auf Geltungskraft.


    Wenn aber Common Law nicht aus Verfassung und Gesetzen stammt, was ist es dann?
    Es als vom Richter gesetztes Recht zu verstehen liegt nahe, wird aber der Stellung des Richters nicht gerecht, der zu willkürlichen Entscheidungen im Generellen nicht berufen ist. Vielmehr ist es das Recht oder die Rechtsauslegung, die auf den anerkannten Grundsätzen der Rechtsprechung in traditionellen Fällen beruht und daraus fortentwickelt wird, dem Precedent. Aus Einzelfallgerechtigkeit werden also gerechte Regeln für alle Fälle, die auf ähnlichen Rechtsfragen beruhen und Anhaltspunkte für weitere Entscheidungen in Fällen mit abweichenden Fakten. Die rechtliche Begründung ("Holding") verschiedene Entscheidungen in ähnlichen Fällen ermöglicht in der abstrahierenden Zusammenschau eine immer weitere Präzisierung des Precedent auch für Sonder- und Ausnahmefall, die wiederum Rechtssicherheit garantieren kann.

  • Does the Judge stand when making (a) "Stare Decisis"?
    by Prof. Esmé Gour, Hamilton Law School


    Precedent (Grundsätze der Rechtsprechung als Basis des Common Law) funktioniert nur mit dem Prinzip des "Stare Decisis", was aus dem Alt-Attilischen übersetzt so viel bedeutet wie "stehende Entscheidung" - muss also der Richter im Gerichstssaal stehen, um mit der Magie des Common Law zu entscheiden? Diese Vorstellung ist natürlich Unsinn, das dürfte jedem Leser klar sein und wird auch deutlich, wenn man eine andere Übersetzung des Begriffs wählt: "Bei der Entscheidung verharren" zum Beispiel.


    Stare Decisis ist nichts mehr und nichts weniger als die Anerkennung der durch frühere Urteile geschaffenen Regeln als geltendes Recht und ein Verzicht auf eine Veränderung der Rechtsprechung. Sie ist die Antwort des Common Law auf die Kritik, Entscheidungen aufgrund des Fallrechts seien nicht vorhersagbar (und damit das Prozessrisiko unkalkulierbar), es fehle dadurch an Rechtssicherheit und aus Sicht des Gewaltenteilungsprinzips sei die durch das Common Law geschaffene System eine Verletzung der Aufgabenteilung zwischen gewähltem Gesetzgeber und (auf Lebenszeit) bestellten, vom Volkswillen unabhängigen und nur dem Recht verpflichteten Richtern.


    Am Rande bemerkt: Gerade das letzte Argument ist im rechtshistorischen Unsinn schlichter Unsinn, schließlich war es zunächst die rechtsprechende Gewalt, die sich vom albernischen König gerade durch die Doktrinen des Common Law emanzipierte und damit rechtsstaatlichen Grundsätzen zum Durchbruch verhalf. Was dem albernischen System allerdings fremd war, ist gleichzeitig die vielleicht größte Errungenschaft der astorischen Verfassungstradition mit Blick auf die Rolle der Rechtsprechung: "Der Kongress darf keine Gesetze verabschieden, die der Verfassung widersprechen und es ist die Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt, [endgültig] festzustellen, was die Verfassung zulässt."*, war eine bahnbrechende Feststellung des Supreme Courts im frühen 19. Jahrhundert und bis heute eine der wichtigsten. Sie ist der Vater des Judicial Review, der Kontrolle der legislativen Gewalt. Rule of Law statt Parliamentary Supremacy also.
    Zurück aber zum Stare Decisis, das nicht nur eine Vorhersagbarkeit gewährleistet, sondern effektiv auch nur einem einzigen Gericht überlässt, der "Gesetzgeber des Common Law" zu sein und damit das Gewaltenteilungs-Problem wesentlich abmildert: Dem Gericht der letzten Instanz, in Astor also dem U.S. Supreme Court. Das ist heute weniger relevant, schließlich sind so viele Common Law-Prinzipien bereits eindeutig festgelegt, dass bahnbrechende Entscheidungen die absolute Ausnahme sind, aber sie kommen vor.


    Stare Decisis wird auch oft als binding precedent bezeichnet, was impliziert, dass es besonderer Voraussetzungen bedarf, damit eine Entscheidung auch wirklich dessen Regeln unterfällt. Traditionell war klar, dass die Gerichte erster Instanz keinen Binding Precedent setzen, sondern nur die höheren Gerichte ab der zweiten Instanz, für Astor also die Courts of Appeals - allerdings nur für ihren Gerichtskreis (Circuit) - und der Supreme Court. Mit der Abschaffung der zweiten Instanz in Astor wird sich daran kaum etwas geändert haben, Binding Precedent wirkt also vertikal von oben nach unten.
    Zugleich dürfte die horizontale Bindungswirkung, also die Bindung eines Gerichts an seine eigenen früheren Entscheidungen - wenigstens vorerst - gänzlich entfallen sein, nachdem sie für die District Courts (mangels Fähigkeit zur Erschaffung überhaupt einer Bindungswirkung für alles andere als den konkreten Einzelfall) wie auch für den Supreme Court nie anerkannt wurde (dazu später mehr).
    Damit ist die Rolle der District Courts auf die Anwendung der Regeln beschränkt, die seine übergeordneten Gerichte ihm setzen und allenfalls in Abwesenheit des passenden Precedents blieb Raum für eigene Regeln ohne Bindungswirkung (die allerdings als unverbindlicher persuasive precedent trotz ihrer Unverbindlichkeit keinesfalls irrelevant sind, nachdem rein faktisch meist versucht wird, sich an dem zu orientieren, was andere bereits testeten und für gut befanden).


    Was uns zu der letzten - aber wohl entscheidendsten - Frage bringt: Wie werde ich trotz Stare Decisis einen unliebsamen Precedent wieder los? Folgende Optionen stehen einem Richter zur Verfügung, der Veränderung anstoßen will:

    • Er kann die Regeln des Stare Decisis einfach ignorieren (Disapproval), was jedoch gut begründet sein will, um nicht in der Berufungsinstanz allzu schnell Schiffbruch zu erleiden und daher auf ganz besondere Umstände beschränkt sein dürfte.
    • Er kann die eigentlich bindende Entscheidung für nicht länger anzuwenden erklären (Overrule), was aber eine überragende Überzeugungskraft erfordert - in anderen Worten mindestens eine Entscheidung (= Mehrheit) des Supreme Courts und für den einfachen Richter keine Option darstellt.
    • Er kann feststellen, dass die dem konkreten Fall zugrunde liegenden Fakten so sehr von denen abweichen, die im den Precedent ergebenen Verfahren maßgeblich waren, dass die Aussagekraft nicht mehr gegeben ist (Distinguishing). Das ist eine sehr einfache Variante, aber auch eine sehr wirkungsvolle und damit der eigentliche Motor des Common Laws, denn auf diese Weise entwickelt sich das Regelwerk stetig weiter, Regeln werden durch Ausnahmen verbessert und ergänzt.

    Die Stellung des Supreme Court ist noch einen genaueren Blick wert, denn in der Analyse lassen sich verschiedene Motive erkennen, nach denen Astors oberstes Gericht seine anerkannter Weise theoretisch unbeschränkte Freiheit vom Stare Decisis in der Praxis ausübt, denn auch die Justices sind sich des Werts dieses Prinzips im Regelfall durchaus bewusst.

    • Das edelste der Motive ist die Korrektur offensichtlicher Fehler, die Korrektur einer offensichtlichen Fehlentscheidung, die die Prinzipien des Rechts so nie hergegeben haben. Es ist die Erkenntnis des Gerichts, zwar letzte Instanz, aber nicht auch unfehlbare Instanz des Rechtsystems zu sein. Die Grenzen sind fließend, schließlich behaupten die einen, dass Rassentrennung schon immer gegen die Ideale der astorischen Unabhängigkeit als vielleicht fundamentalste Prinzipien unseres Rechts verstieß ("... that all men are created equal."), während andere sich auf frühere Verfassungsbestimmungen beriefen, die eine Anerkennung der Sklaverei beinhalteten und damit der Minderwertigkeit bestimmter Menschen mindestens implizierten.
    • An dieser Grenze bewegt sich der soziale Wandel, welchen man zum Anlass nehmen muss, Precedent zu modernisieren, damit das Common Law nicht versteinert und damit seine Funktion erfüllt, nämlich als Werkzeug für Vereinbarungen und das Zusammenleben zu dienen.
    • Zur Willkür tendiert das Motiv des ideologischen Wandels der Gerichtsmehrheit. Justices sind letztlich einer politischen Auswahl unterworfen und - jedenfalls in Astor - durch eine lange, aber eben nicht lebenslange Amtszeit in gewisser Weise auch der politischen Maschinerie selbst. Was heute noch unerschütterlicher und einmütig von allen drei Richtern verkündeter Grundsatz ist, mögen morgen zwei neue Justices völlig anders sehen. Eine andere Sichtweise ist aber noch lange keine andere Entscheidung, denn im Regelfall sind sich doch alle Beteiligten bewusst, wie sehr eine leichtfertige Aufgabe früherer Grundsätze Ansehen und Vertrauen des Rechtssystems erschüttern kann. Daher ist diese Art der Entscheidung doch eher rar.

    Kurz zusammengefasst:


    • Stare Decisis meint die Verbindlichkeit früherer Entscheidungen (Precedent) übergeordneter Gerichte. Der Grundsatz wird auch als "verbindlicher Precedent" bezeichnet und ist elementar für das Funktionieren eines Common Law-Rechtssystems.
    • Wichtigstes Mittel zur Vermeidung ist es, Unterschiede zwischen dem Fall, der den Precedent begründet, und dem Fall, der zu entscheiden ist, herauszustellen, die eine rechtlich andere Bewertung erforderlich machen. Durch solche Entscheidungen ("Distinguishing") entwickelt sich das Common Law weiter und bleibt neuen Herausforderungen gewachsen.
    • Nur das oberste Gericht hat die wirklichen Mittel, Regeln vollständig abzuschaffen ("Overruling"), macht davon aber normalerweise nur sparsam Gebrauch.
  • Privacy - Personal Freedom vs. Governments Intrests
    by Meredith Parker-Gowans, Esq., Executive Director of SAALS


    Der Kongress debattiert eine umfassende Reform der Einwanderung und des Grenzschutzes. Viele politische Fragen lassen sich in diesem Themenfeld erörtern, vielleicht noch mehr rechtliche. Besonders im Fokus ist aber momentan die Frage nach Grenzkontrollen. Wie verträgt sich die Tatsache, dass an der Grenze Person und Gepäck durchsucht werden, mit der Bestimmung der Bestimmung von Art. II Sec. 7 Ssc. 3 der U.S. Constutution: "Durchsuchungen von Personen, Häusern, Dokumenten oder Effekten, ohne dass der erhärtete und stichhaltige Verdacht eines begangenen Vergehens besteht, sind kränkend und bedrückend und sollen ohne begründete richterliche Anordnung nicht durchgeführt werden."?
    Um die Antwort vorweg zu nehmen: Grenzkontrollen sind internationaler Normalzustand und stellen kein Problem dar. Auch nicht in den Vereinigten Staaten, wie allgemein anerkannt ist. Aber warum? Genügt es als Grund, dass es sie auch vor dem Inkrafttreten dieser Verfassungsbestimmung schon gab und die Autoren der Verfassung sicher nicht an ihre Abschaffung gedacht hatten? Überzeugender wäre es, sich die Dogmatik hinter der Klausel einmal anzusehen.


    Die Verfassung bewertet Durchsuchungen als "kränkend und bedrückend", was als Hinweis auf das dahinterstehende Schutzgut recht eindeutig ist: Es geht um die Erwartung der Privatsphäre, die jeder Person im Geltungsbereich der Verfassung nicht etwa zugestanden wird, sondern von dieser als gegeben vorausgesetzt wird. Was ich tue, geht den Staat nichts an, das ist die Ausgangslage und alles andere braucht eine besondere Rechtfertigung.


    Eine dieser Rechtfertigungen ist die Zustimmung des Betroffenen, denn schließlich handelt es sich um sein Recht, auf das er auch freiwillig verzichten kann (die Frage nach dem Maßstab für Freiwilligkeit stellt sich dann aber zurecht). Es beruhigt sicher, dass der Widerspruch eines von mehreren Mit-Berechtigten ausreicht um den Verzicht auf die Privatsphäre zu verhindern1. Auf der anderen Seite extrem beunruhigend: die Zustimmung etwa eines Angehörigen oder Mitbewohners bei Abwesenheit wird oft als ausreichend angenommen2, wer wert auf seine Privatsphäre legt, sollte also Eltern, Ehe- und Lebenspartner, Kinder sowie sonstige Mitbewohner nachdrücklich darauf hinweisen, denn wo ausdrücklicher Widerspruch ist, kann von diesen kein Einverständnis vermutet und erklärt werden.


    Die Verfassung selbst benennt daneben ausdrücklich zwei Ausnahmen: den erhärteten und stichhaltigen Verdacht einer Straftat und einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Was ein Durchsuchungsbeschluss ist, das ist eindeutig, weil gesetzlich definiert.
    Was aber unter der sogenannten "probable cause exeption" zu verstehen ist, ist nicht auf den ersten Blick klar, sondern bedarf der Auslegung. Eine Auslegung, die durch die Rechtsprechung klar erfolgt ist: "Nicht der Beweis einer Straftat über den begründeten Zweifel hinaus ist der Maßstab, sondern die Vermutung einer solchen anhand faktischer und praktischer Erwägungen der beteiligen Beamten zum Zeitpunkt der Entscheidung. Die Erwägungen der Beamten dürfen jedoch keinesfalls willkürlich, sondern müssen rückblickend betrachtet nachvollziehbar sein und dem gesunden Menschenverstand nicht widersprechen."3 Doch auch hier scheinen die Grenzen fließend:

    • unter Bewährung stehende Personen sollen jederzeit Anlass für eine solche Vermutung geben (was die Frage aufwerfen könnte, wie dann eine Entlassung Bewährung überhaupt gerechtfertigt sein kann)4,
    • die Absuche mit einem Spürhund stellt dagegen wohl nachvollziehbarer Weise keinen Eingriff in die Privatsphäre dar, wenn sie auf öffentlichem Gelände erfolgt und genügt als Anlass für eine solche Vermutung5

    Nachdem die Ausnahmen also klar sind und abseits einiger - nichtsdestoweniger relevanten - Randfragen recht eindeutig zu Gunsten eines Schutzes der Privatsphäre ausgelegt werden, sind die Grenzen der Privatsphäre-Erwartung umso spannender, denn hier "spielt die eigentliche Musik", denn im Gegensatz zu einem von Richtern erlassenen Durchsuchungsbeschluss oder einer eng begrenzten Ausnahmeregelung zur Verfolgung von Straftaten können diese Ausnahmen jeden treffen und kann das persönliche Empfinden zur Privatsphäre schnell mit dem in Konflikt geraten, was die Rechtsprechung als "reasonable exception of privacy" definiert.

    • Eigentlich aus dem Wortlaut der Verfassung zu schließen, aber doch überraschend, weil man eine Ausdehnung durchaus rechtfertigen könnte, ist zunächst festzustellen: Grundstücke an sich sind nicht vor Durchsuchungen geschützt6 , schließlich mögen sie zwar umzäunt, aber auch damit nicht in gleicher Weise wie ein Haus vor fremdem Zugriff abgeschlossen sein.
    • Die erste Gruppe echter Ausnahmen bilden zwingende Umstände, die relativ klar begrenzt sein dürften auf Anzeichen für dringende Hilfsbedürftigkeit7 sowie die Gefahr der Flucht eines Verdächtigen oder Vernichtung von Beweismitteln. In diesen Fällen gilt: Niemand darf seine Rechte in einem Ausmaß nutzen, die die Hilfe für andere oder die Aufrechterhaltung des Rechtsstaates gefährden würden8
    • Ebenso nachvollziehbar ist eine Ausnahme für Festnahmen, die die Durchsuchung von Person und unmittelbarer Umgebung einerseits nach gefährlichen Gegenständen, andererseits aber auch nach Beweismitteln zulässt.8 Wer festgenommen wird, kann keine ernsthafte Erwartung auf Privatsphäre diesbezüglich mehr haben.
    • Gleiches gilt für das, was einem Beamten bei seiner Anwesenheit an einem Ort ins Auge fällt, sofern die Relevanz ersichtlich ist9: Die sogenannte plain view doctrine setzt keine zufällige Entdeckung voraus, verbietet aber auch eine allzu gründliche Absuche (z.B. das Öffnen von Schränken).
    • Sehr großzügig wird die Rechtsprechung zu Lasten der Privatsphäre im Bezug auf Fahrzeuge: Die Privatsphäre-Erwartung sei hier wesentlich geringer als in Häusern, überdies könne sich ein Fahrzeug jederzeit entfernen10 Im Gegensatz zur allgemeinen Ausnahme für Festnahmen soll auch gleich das ganze Fahrzeug durchsucht werden dürfen11, allerdings deutet sich eine vorsichtige Beschränkung dieser Rechtsprechung dahingehend an, dass zumindest eine lose Verbindung zum Fahrzeug bestehen muss12.
    • Schließlich die wohl weitgehendste und doch etablierteste Ausnahme: Grenzkontrollen (der Anlass dieses Artikels). Es ist gemeinhin anerkannt, dass es den Hoheitsinteressen eines Staates entspricht, seine Grenze zu überwachen und den Grenzverkehr zu kontrollieren13* . Gerade im Vergleich zu diesem Interesse und der internationalen Praxis, schlussfolgerte die Rechtsprechung, könne eine Erwartung der Privatsphäre an einer Außengrenze nicht bestehen.


    Umstritten bleibt aber, ob der Gesetzgeber die Erwartung der Privatsphäre zumindest in engen Grenzen am Ende auch dadurch "aushebeln" kann, dass er einen geringen Schutzstandart definiert, etwa um Gefahrenabwehr zu ermöglichen. Was bei Ermittlungen zu Unfällen noch harmlos klingt, erscheint in einem anderen Licht, wenn es plötzlich um Metadaten von Kommunikationsverbindungen oder Finanzströme geht. Hier ist ebenso noch vieles ungeklärt wie im Bezug auf Maßnahmen im Ausland, die Inländer betreffen.
    Eine spannende Thematik also, die uns alle angeht und bei der noch Chancen zur Beeinflussung der Rechtsprechung bestehen dürften - allerdings kaum im Bezug auf Grenzkontrollen, ob nun gesetzlich verbrieft oder aus dem Common Law hergeleitet, denn diese erscheinen der Rechtsprechung weder kränkend, noch bedrückend.

  • Da die bekanntesten Namen auf der Unterstützerliste Powell und Voerman sind, muss man sich nicht lange fragen von welcher Seite des politischen Spektrums aus die SAALS gesteuert wird.

  • Law and Equity - The fundamental difference without much effect
    by Prof. Esmé Gour, Hamilton Law School


    Der Federal Judiciary Act ist fehlerhaft an der einzigen Stelle, an der gesetzlich zwischen Recht (also Verfassung, Gesetz und Common Law) und Billigkeit unterschieden wird: "Die Zuständigkeit der District Courts umfasst in Zivilsachen alle Klagen auf Grund des Rechts [und] auf Grund der Billigkeit, soweit eine Einigung zwischen den Parteien nicht zu erreichen ist", heißt es in Chapter 2 Section 2 Subsection 4 Clause b. Redaktionsfehler kommen vor und lassen sich durch einfache Auslegung schnell beheben - so auch hier.


    Den Begriff des Common Law habe ich in dieser Reihe vor gut einem Monat erklärt und was ein Gesetz ist, das meinen wir alle relativ einfach beantworten zu können, erklärt uns doch die Verfassung, dass durch Beschluss beider Kammern des Kongresses und wahlweise mit oder ohne Zustimmung des Präsidenten ein Gesetz der Vereinigten Staaten zustande kommt - und eben nur auf diese Weise.
    Das ist auch fast vollständig richtig, wenn wir den eher dogmatischen denn praktisch relevanten Streit außen vor lassen, der die Stellung exekutiver Rechtssätze betrifft. Das können wir hier auch guten Gewissens tun, indem wir uns mit der Aussage begnügen, dass die Verfassung den Präsidenten zum Vollzug der Gesetze beruft und die vom ihm dazu erlassenen Rechtssätze jedenfalls unterhalb der Schwelle eines "echten Gesetzes" stehen, zugleich aber auch sein Mittel sind, die Arbeit der vielen Exekutivbeamten zu steuern, die in der Vorstellung der Verfassung in erster Linie seine Werkzeuge sind (so jedenfalls die Anhänger der Unitary Executive Theory, zu denen ich mich zähle, die allein zu überzeugen vermag und auch durch den Supreme Court als maßgeblich angedeutet wurde).


    Offen bleibt die Frage, was den nun die hier genannte "Billigkeit" ist, die sich ja offensichtlich vom Recht unterscheidet, aber deren Definition uns Gesetz und auch Verfassung schuldig bleibt, was eine - erstaunliche? - Parallele zum Common Law ist. Um es gleich vorweg zu nehmen: Im Prinzip handelt es sich bei Equity um einen Teil des Common Law, wenn auch einen besonderen.
    Der Grund dafür liegt in der Geschichte: Je mehr sich der Precedent im Laufe der Zeit als eine frühe Garantie der Unabhängigkeit der Richter von der Krone entwickelte, desto mehr wollte der Monarch sich seinen Einfluss auf die Rechtsprechung sichern, musste dabei aber den öffentlichen Eindruck einer Übergriffigkeit vermeiden. Das Mittel seiner Wahl wurde Equity: Er gestattete seinen Untertanen, sich gegen ein für sie nachteiliges Gerichtsurteil zu wenden, das ihnen ungerecht erschien (Ubi ius, ibi remediam = No wrong without remedy). Die Entscheidung des Monarchen drückte das Spannungsfeld aus, denn sie beanspruchte für sich nicht etwa, das infrage stehende Urteil aufzuheben, sondern lediglich, einer Partei die Durchsetzung der zuerkannten Rechte zu untersagen (Equity acts in personam) und diese Untersagung ihrerseits notfalls durchzusetzen.


    Der Monarch beanspruchte für sich, unabhängig vom Common Law und orientiert an der besonderen Not des Bittstellers zu entscheiden, dessen Interesse von der Gegenpartei nicht mit der nach Common Law allein möglichen bloßen Entschädigung rechtlicher Nachteile in Geld, sondern durch ein anderes Handeln (Equity sees as done what ought to be done) befriedigt werden konnte - wobei ein zusätzlicher Entschädigungsanspruch trotzdem gewährt würde (Equity delights to do justice). Dabei legte der Monarch großen Wert darauf, tatsächlich für Gerechtigkeit zu sorgen, nachdem dies allein die Rechtfertigung für sein neu entdecktes Werkzeug war. Dies drückt sich in weiteren Grundsätzen aus: Die Bitte sollte nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt, sondern unverzüglich erhoben werden (Delay defeats Equity) und wer für sich selbst eine faire Behandlung erhoffte, müsse selbst fair handeln (Who seeks Equity must do Equity / Who comes to Equity must come with clean hands).


    Equity nimmt im Zweifel die bestmögliche Absicht eines Handelnden an (Equity impudes an intent to fulfill obligations) und lehnt einen unverhältnismäßigen Nachteil auch bei Verletzung rechtlicher Pflichten ab (Equity abhors a forfeiture). Ein Gleichgewicht an Rechten soll unabhängig von den rechtlichen Vorteilen einer der beiden Parteien zu einer Teilung der Ansprüche führen (Equity is Equality) und ein gleichwertiges Equity-Recht einen Ausschluss der Gewährung für beide Parteien bedeuten (Over equal equities, law will prevail). Zudem ist es ausgeschlossen, wirkungslose Entscheidungen nur des Prinzips wegen zu treffen (Equity is not a idle gesture) oder gar als Legitimation unrechten Handelns zu dienen (Equity will not allow cloak for fraud).


    Was zunächst als Zuflucht für Einzelfälle gedacht war, erwies sich schnell als dringend notwendige Ergänzung des Common Laws. Mit zunehmender Zahl der Equity Petitions übertrug der Monarch seine Entscheidungszuständigkeit auf Hofbeamte, später auf ein eigenes Gericht (Chancery Court unter dem obersten Beamten, dem Lord Chancellor.
    Während sich diese Aufteilung in Albernia in Teilen bis weit in die Mitte des 19. Jahrhunderts hielt, könnte sie sich in Astor nach der Unabhängigkeit nicht durchsetzen. Hier gab man stattdessen den Gerichten die Zuständigkeit für beide Formen der Rechtsprechung, womit auch die Besonderheiten zunehmend verschwammen.


    Heute ist es für uns selbstverständlich, vor Gericht mehr einklagen zu können als eine bloße Entschädigung. Das wir das können, sichert ein unscheinbarer und sprachlich leicht missglückte Halbsatz, auch wenn Equity mittlerweile wohl zum Teil des Common Laws geworden ist, von dem es sich ursprünglich scharf abgrenzte.

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